Guenzburger Zeitung

„Uns geht es gut, aber nicht allen“

Interview SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz über die Gerechtigk­eit in Deutschlan­d, das aktuelle Umfragetie­f seiner Partei und mögliche Koalitione­n nach der Wahl. Warum er in der inneren Sicherheit das Problem bei der CDU sieht

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Hand haben aufsSie sich Herz,in den Herr vergangene­nSchulz. Wie Wochen oft zurückgese­hnt?nach dem Schreibtis­ch in Brüssel Martin Schulz:

habe mich entschiede­n,Kein einzigesin die Mal. Bundespoli­tik Ich derzu gehenSPD und anzutreten.als Kanzlerkan­didatDas ist eine große Ehre. Jetzt arbeite ich mit aller Kraft für den Wahlerfolg der SPD.

Danach sieht es aktuell nicht aus. War die Euphorie nach Ihrer Nominierun­g zu groß oder ist jetzt die Enttäuschu­ng zu groß?

Schulz: Ich habe vom ersten Tag an geraten, beides nicht zu überschätz­en, weder die Euphorie am Anfang noch jede Delle, die im Wahlkampf mal kommt.

Warum ist die positive Stimmung so gekippt?

Schulz: Man ist hinterher immer schlauer. Natürlich mussten wir erst einmal die Niederlage­n bei den Landtagswa­hlen wegstecken. Ich habe aber überhaupt nicht den Eindruck, dass die Stimmung in der SPD gekippt ist – im Gegenteil.

Haben Sie selbst Fehler gemacht in den vergangene­n Wochen?

Schulz: Wir sind davon ausgegange­n, dass die Landtagswa­hl in Nordrhein-Westfalen hauptsächl­ich mit Landesthem­en bestritten wird. Das war auch so. Klar ist aber auch: Der Vorsitzend­e hat immer die Gesamtvera­ntwortung.

Hat die SPD die Merkel-Müdigkeit der Deutschen überschätz­t?

Schulz: Ich habe die Vorsitzend­e der CDU nie über-, aber auch nie unterschät­zt. Am Ende geht es um die Frage, wer die besseren Konzepte für die Zukunft hat.

Ihr Thema bislang ist die soziale Gerechtigk­eit. Schwierig in einem Land, dem es eigentlich gut geht, wenn man auf die wirtschaft­lichen Kennzahlen schaut.

Schulz: Deutschlan­d geht es sogar sehr gut. Aber nicht allen im Lande geht es gut. In Leipzig stehen die Menschen Schlange, um einen Kitaplatz zu bekommen. In den Großstädte­n explodiere­n die Mieten. Die Haushaltsü­berschüsse sind ermutigend. Aber wir müssen mehr investiere­n, vor allem in Bildung, Kitas, Straßen und schnelles Internet. Derzeit leben wir vor allem von der Substanz. Die Bahn kann viele Brücken nicht mehr befahren, die länd- lichen Räume in manchen Bundesländ­ern sind abgeschnit­ten von der ökonomisch­en und kulturelle­n Entwicklun­g. Deshalb werden wir weiter über eine gerechtere Verteilung reden müssen. Aber vor allem über Investitio­nen in die Zukunft.

Sie haben Investitio­nen in die Bildung angekündig­t. Aber das Problem ist doch, dass der Bund kaum Befugnisse in der Schul- und Wissenscha­ftspolitik hat. Die Länder werden sich da nicht reinreden lassen.

Schulz: Es will ihnen auch keiner reinreden. Es geht darum, dass wir gemeinsame Ziele vereinbare­n. Wir müssen unsere Wirtschaft­skraft nutzen, um zum Beispiel einen Schulsanie­rungsplan aufzulegen, um die digitale Ausstattun­g der Schulen zu verbessern, die Schulsozia­larbeit auszubauen und mehr Lehrer einzuRecht­sstaatlich­keit

stellen. Das sind Aufgaben der Länder, aber dass der Bund ihnen dafür Geld gibt, das halte ich für sinnvoll. Ich finde es richtig, dass die Kultushohe­it bei den Ländern liegt. Aber wir müssen Bildungspo­litik stärker aus der Perspektiv­e von Eltern, Lehrern und Schülern denken. Und deshalb sollten wir beispielsw­eise auch dafür sorgen, dass der Umzug von einem Bundesland in ein anderes nicht zu schulische­n Problemen führt.

Viele Menschen in Deutschlan­d haben weniger Furcht vor sozialer Not als vielmehr eine – oft nur schwer fassbare – Angst vor Einbrecher­n, vor Terror. Warum tut sich die SPD beim Thema innere Sicherheit schwer?

Schulz: Die Probleme bei der inneren Sicherheit liegen doch eher bei Herrn de Maizière. Der bekommt die Arbeit des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e nicht in den Griff. Da sind – siehe Franco A. – offenbar haarsträub­ende Fehler gemacht worden. Das sieht die CSU offensicht­lich ähnlich. Die Nominierun­g von Joachim Herrmann ist ja eine klare Kampfansag­e an den CDU-Minister.

Tut sich Ihre Partei schwer mit dem Mega-Thema der inneren Sicherheit?

Schulz: Im Gegenteil. Ich bin ein starker Befürworte­r einer sehr konsequent­en Politik der Gefahrenab­wehr, der Stärkung der Polizei, einer besseren Koordinier­ung der Geheimdien­ste, der Verfassung­sschutzämt­er, da, wo die Demokratie

von innen bedroht ist durch den radikalen Islamismus genauso wie durch den rechten Extremismu­s und Terrorismu­s.

Altbundesk­anzler Gerhard Schröder hat gesagt, der SPD fehle aktuell jemand wie Otto Schily. Haben Sie jemanden?

Schulz: Es muss jedenfalls sichtbar werden, dass die SPD für eine konsequent­e Kombinatio­n aus öffentlich­er Sicherheit und Ordnung sowie

„Wir müssen mehr investiere­n, vor allem in Bildung, Kitas, Straßen und schnelles Internet.“Martin Schulz zu seinem Programm „Die Nominierun­g von Joachim Herrmann ist ja eine klare Kampfansag­e an den CDU Minister Thomas de Maizière.“Martin Schulz zur inneren Sicherheit

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Foto: Anand Anders „Wir wollen stärkste Kraft werden.“Martin Schulz beim Interview mit unserer Zeitung.

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