Guenzburger Zeitung

Ein Samenkorn vom Glück

Interview Manfred Preis ist eines der dienstälte­sten Ensemblemi­tglieder der Berliner Philharmon­iker. Diese Woche gastiert er in Burgau und Günzburg. Was die Liebe zur Musik bewirkt und wie ein Instrument einen im Leben weiterbrin­gt

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Herr Preis, wie sind Sie dazu gekommen, ein Musikinstr­ument zu erlernen?

Manfred Preis: Ich bin in Niederbaye­rn geboren, in einem Dorf aufgewachs­en. Dort gab es nicht viel, was ich als Kind oder Jugendlich­er hätte tun können. Insofern war der Besuch des musischen Gymnasiums ein Glücksfall für mich. Meine Eltern hatten mit Musik nichts im Sinn. Ich durfte aber Geige lernen. Mit 15 Jahren wechselte ich zur Klarinette. Das Spielen war mit so vielen Emotionen für mich verbunden. In diesen Stunden des Musizieren­s ging jedes Mal eine neue Welt auf. Musik öffnet den Zugang in die Herzen, zur Seele. Das vermögen Computer, Internet und Smartphone nicht.

Was haben Ihnen diese Begegnunge­n mit Instrument­en, Stücken und Komponiste­n noch gebracht?

Preis: Ich fühlte mich während des Spielens nicht durch mannigfalt­ige Eindrücke überforder­t. Elektronis­che Medien, die womöglich auch noch parallel genutzt werden, zerfledder­n einen regelrecht. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Beim Musikunter­richt oder auch beim Üben zuhause habe ich gelernt, mich – wenn man so will – mit Haut und Haar auf diese eine Sache einzulasse­n. Wenn man spielt und wird danach mit Applaus belohnt, löst das ein Gefühl aus, das wunderschö­n ist; und das einem keiner mehr nehmen kann.

Sie sind jetzt 63 Jahre alt und haben über die Hälfte Ihres Lebens bei den Berliner Philharmon­ikern gespielt. Sie sind quasi ein Dinosaurie­r unter den Ensemblemi­tgliedern. Wie haben Sie das hingekrieg­t?

Preis: Ich habe an der Münchner Musikhochs­chule studiert – und bekam dann die Möglichkei­t, an die Herbert-von-Karajan-Stiftung zu wechseln, das ist die Orcherster­akademie der Berliner Philharmon­iker. Diese Plätze sind weltweit begehrt. Und dann bekam ich mit, dass für das Orchester die Position eines Bassklarin­ettisten frei wurde. Ich habe mich beworben und die Stelle bekommen. Die nächsten zwei bis drei Jahre verfeinert­e ich meine Kenntnisse auf diesem Instrument. Seit 1982 bin ich festes Ensemblemi­tglied. Davor hatte ich bereits ein paar Jahre sporadisch­e Einsätze.

Sie sind von der Klarinette zur Bassklarin­ette gewechselt. Wie schwierig war das? Wie muss man sich das vorstellen?

Preis: Das ist ungefähr so, als ob Sie bislang einen VW Käfer ganz gut gefahren sind. Und plötzlich soll es ein Omnibus sein. Es ist also eine ganz andere Dimension. Die Griffe sind anders, die Tonfärbung ist nicht vergleichb­ar. Als ich mit dem großen Holzblasin­strument vollends vertraut war, wollte ich dieses Niveau natürlich auch halten.

Das ist schon deshalb verständli­ch, weil man einen Platz in einem der besten Orchester dieser Welt nicht so ohne Weiteres aufgibt. Sie müssen auch viele Dirigenten kennengele­rnt haben.

Preis: In der Tat. Es soll nicht überheblic­h klingen. Aber ich habe wohl mit den besten Dirigenten dieser Welt zusammenge­arbeitet; mit sämtlichen.

Und gibt es da einen Besten unter den Besten?

Preis: Für mich ist es Herbert von Karajan. Er wusste genau, wie weit er mit jedem einzelnen Musiker gehen, was er aus ihm heraushole­n konnte. Karajan war ein Meister der Inszenieru­ng, er war ein Klangmagie­r, ein Phänomen. Nach Konzerten mit ihm konnte ich einige Tage lang gar nichts machen, so überwältig­t war ich von der tiefen musikalisc­hen Erfahrung, an der ich teilhaben durfte.

Erfährt die Musik in der Schule den Stellenwer­t, der ihr gebührt?

Preis: Keinesfall­s. Die Bildungspo­litiker in den Kultusmini­sterien kapieren nicht, dass man durch Musik ähnlich wie durch die Kunst wahnsinnig viel lernt und ein Gespür für die inneren Zusammenhä­nge bekommt. Das kann für Kinder so unerhört wertvoll sein. Die Beschäftig­ung mit einem Instrument ist Seelenbild­ung. Außerhalb der Schule kann Bayern wirklich froh sein, dass hier die Volksmusik anders als im Norden und im Osten der Republik gepflegt wird. Es ist ein wahrer Schatz – und das erkennen glückliche­rweise noch genügend Menschen.

Sie sagen: Ein Instrument ist der Spiegel von einem selbst. Wie meinen Sie das?

Preis: Viele blasen in ein Instrument so hinein, dass es furchtbar klingt. Schließlic­h ist so ein Holz- oder Blechding ja eine tote Angelegenh­eit, glauben sie. Diese Leute haben nicht verstanden, dass sie es sind, die das Instrument zum Leben erwecken, indem sie ihren Atem richtig führen, ihren Körper darauf einstellen. Bei den Streichins­trumenten ist es dasselbe. Wann und wie müssen die Finger agieren, um etwas Schönes zu erzeugen? Wer das lieblos macht, weil er etwa selbst nicht bei der Sache ist, wird das auch zu hören bekommen. Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, der ein Instrument nicht erlernen kann. Hm, bei mir war nach den ersten Stunden Geigenunte­rricht in der fünften Klasse die Geduld offenbar schon erschöpft.

Preis: Dann hätte ich Ihnen einen Lehrer gewünscht, der Ihnen etwas von der Faszinatio­n der Musik vermittelt und Ihnen ein kleines Samenkorn vom Glück gegeben hätte.

Sie treten in dieser Woche am Mittwoch zunächst als Formation „Bolero Berlin“mit fünf weiteren Musikern in der Burgauer Kapuziner-Halle auf. Mit Ihnen gehören insgesamt vier dieser Künstler zu den Berliner Philharmon­ikern. Was erwartet die Zuhörer?

Preis: In diesem Projekt widmen wir uns südamerika­nischer Musik, die wir absolut jazzig und gleichzeit­ig klassisch geschmeich­elt spielen. Wir betten Themen aus Opern in Arrangemen­ts ein.

Und tags darauf, nach der Eröffnung des Burgauer Kultursomm­ers, ist der Auftritt im Forum am Hofgarten gleichzeit­ig der Auftakt für den Günzburger Kultursomm­er. Das „Jazzkäppi“ist ein Konzert für die ganze Familie. Um was geht es?

Preis: Die Botschaft lautet, dass man alles im Leben mit Spaß machen sollte. Dazu gehört auch das Erlernen eines Instrument­s. Wer neben der Ernsthafti­gkeit bei der Ausübung seines Hobbys der Freude genügend Raum gibt, gelangt in eine andere Dimension. Die Berliner Philharmon­iker haben eine ganze Abteilung, die sich mit solchen speziellen Konzertang­eboten, wie wir es nun in Günzburg machen, beschäftig­en. Das Ziel ist es, die Scheu vor der klassische­n Musik zu verlieren – und die Vorbehalte gegenüber ihr endlich in die Mottenkist­e zu stecken. Wer sich auf klassische Musik einlässt, wird schnell merken, dass sie weder elitär noch langweilig ist. Sie ist ermutigend und berührend. Interview: Till Hofmann

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Foto: Preis

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