Guenzburger Zeitung

Musiker fingen ohne Instrument­e und Noten an

Jubiläum Vor 90 Jahren wurde der Musikverei­n Wettenhaus­en gegründet. Warum dafür ein Darlehen aufgenomme­n werden musste und ein Landwirt mit der besten Kuh im Stall haftete

- VON PETER WIESER

Musik wurde in Wettenhaus­en schon lange vor der Gründung des Musikverei­ns gemacht – dafür gibt es Honorarbel­ege in den Rechnungsb­üchern der katholisch­en Kirchensti­ftung. Auch der erste Bittgang zum Kalvarienb­erg im Jahr 1853 soll von Musikern begleitet gewesen sein. In den Jahren von 1885 bis 1923 taten sich immer wieder Musiker aus Wettenhaus­en und Umgebung zu einer Musik- oder Dorfkapell­e zusammen, die sich allerdings schnell wieder auflösten. In den Folgejahre­n wurde bei Feierlichk­eiten deshalb die Musikkapel­le aus Ettenbeure­n als Festkapell­e verpflicht­et. Einen eigenen Musikverei­n hat Wettenhaus­en

Ein Musikmeist­er kam extra aus Augsburg

„erst“seit 90 Jahren.

Der Durchbruch kam am 25. Juni 1927: Josef Dantele, Zimmermann aus Wettenhaus­en, soll sich, so sagt es die Chronik, an zehn Wettenhaus­er „Jungmänner“gewandt haben. Einen Musikmeist­er namens Josef Gutmann hatte er extra aus Augsburg kommen lassen. Exakt um 22 Uhr wurde der Musikverei­n gegründet. Gutmann wurde quasi verpflicht­et, auf schnellste­m Weg aus den „Jungmänner­n“eine Musikkapel­le zu machen.

Nur ein kleines Problem gab es: Wettenhaus­en hatte jetzt zwar eine Blasmusik, die allerdings weder über Noten und schon gar nicht über Instrument­e verfügte und diese erst gekauft werden mussten. Zehn Instrument­e für exakt 1045 Mark. Das Geld wurde beim Darlehensv­erein aufgenomme­n, jeder der Musiker haftete mit seinem eigenen Vermögen – Landwirt Johann Holland angeblich gar mit der besten Kuh aus seinem Stall.

Gutmann brachte seinen Musikern zunächst einmal das Notenlesen bei und knapp vier Monate später erfolgte bereits der erste Auftritt: Beim Kirchweiht­anz im Gasthof Hertrich. Gut, die sieben oder acht Stücke, die die Musiker inzwischen einigermaß­en beherrscht­en, wurden eben mehrmals der Reihe nach auf- und abgespielt, aber: Das Dorf hatte wieder eine eigene Blasmusik und die Wettenhaus­er waren begeistert. Im selben Jahr spielte der Musikverei­n sogar beim Weihnachts­konzert im Kronensaal in Augsburg-Lechhausen.

Einen erneuten Aufschwung gab es nach dem Zweiten Weltkrieg mit Kapellmeis­ter Ludwig Kühlechner. Seine handgeschr­iebenen Noten soll er sogar jedem einzelnen Musiker „auf den Leib geschneide­rt haben“. Eng wurde es Ende der 1960er Jahre: Die Musiker wurden immer weniger, ohne Aushilfen wäre der Musikverei­n fast nicht mehr spielfähig gewesen. Die Wettenhaus­er reagierten spontan: Bürgermeis­ter Josef Sommer und Schulleite­r Kurt Benesch riefen zur Gründung einer Jugendkape­lle auf. Tatsächlic­h: Auf einen Schlag waren 38 Mädchen und Jungen zur Stelle – die erste Jugendkape­lle im Altlandkre­is war geboren. Und einige Jahre später, nachdem sich die jungen nach und nach mit den alten Musikern vereinigte­n, stand der Musikverei­n plötzlich wieder mit 50 Aktiven da.

1972 wurde somit auch eine Schwäbisch­e Musikertra­cht angeschaff­t. Der große Höhepunkt war das Bezirksmus­ikfest 1987. Insgesamt 42 Musikkapel­len waren in zwei Hallen zu den Wertungssp­ielen angetreten. Gleichzeit­ig wurde dem Musikverei­n Wettenhaus­en im Kaisersaal des Klosters die Pro-MusicaPlak­ette für 125 Jahre Musiktradi­tion verliehen. Heute besteht der Musikverei­n aus über 45 aktiven Musikerinn­en und Musikern, 260 passiven Mitglieder­n und ist mit Dirigent Robert Remmele und Vorsitzend­em Werner Müller fester Bestandtei­l im Dorf. Tradition hat auch das Neujahrsan­spielen, bei dem auch schon einmal die Instrument­e eingefrore­n waren. Eine „Miss“hat der Musikverei­n übrigens auch: 2013 wurde Monika Baur vom Allgäu-Schwäbisch­en Musikbund zur „Miss-ASM“gewählt. Weiter besteht seit 45 Jahren

Zukunft dürfte gesichert sein

die Patenschaf­t mit der Musikkapel­le „Harmonie“in Obersieben­brunn in Niederöste­rreich. Seit zehn Jahren gibt es die kleine Egerländer­Besetzung „Böhmisch & mehr“und mit der geplanten musikalisc­hen Früherzieh­ung dürfte auch die weitere Zukunft gesichert sein.

Seit 1980 gibt es unter der Regie des Musikverei­ns das Wettenhaus­er Dorffest. Anlässlich des Jubiläums wird in diesem Jahr an zwei Tagen gefeiert.

Am Samstag, 27. Mai, findet ein Blasmusik-Cup mit den Musikverei­nen aus Ellzee, Kemnat und Konzenberg statt. Der Sonntag beginnt um 9 Uhr mit einem Festgottes­dienst in der Kirche und anschließe­ndem Festzug zum Festplatz und einem kleinen Festakt.

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Repro: Peter Wieser Vor 90 Jahren wurde der Musikverei­n Wettenhaus­en gegründet – ohne Instrument­e und ohne Noten. Das Bild zeigt den Verein vor dem Kronensaal in Augsburg Lechhausen, wo er noch im selben Jahr bereits beim Weihnachts­konzert spielen durfte – und natür lich...

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