Guenzburger Zeitung

Wie sich Deutschlan­d schützt

Sicherheit Rund 600 islamistis­chen Gefährdern trauen die Behörden einen Terroransc­hlag zu. Es herrscht höchste Alarmberei­tschaft. An diesem Wochenende ganz besonders, wenn Berlin Millionen Besucher erwartet

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Der perfide Terroransc­hlag auf die Besucher eines Popkonzert­s, der in Manchester viele Todesopfer forderte, wirft auch in Deutschlan­d bange Fragen nach der Sicherheit bei Großverans­taltungen auf. Nach Behördenan­gaben gilt die Sicherheit­slage in Deutschlan­d weiter als „abstrakt angespannt“. Das heißt: Mit terroristi­schen Anschlägen muss jederzeit gerechnet werden. Die Gefahr sei durch den Anschlag von Manchester weder größer noch geringer geworden.

Auch wenn derzeit offenbar keine konkreten Hinweise auf geplante Attentate vorliegen, sind die Behörden in höchster Alarmberei­tschaft. In Sicherheit­skreisen besteht kein Zweifel daran, dass die Terrororga­nisation Islamische­r Staat, die in ihrem sogenannte­n „Kalifat“in Syrien und im Irak ein Rückzugsge­fecht kämpft, neben anderen westlichen Ländern auch Deutschlan­d als Terrorziel im Visier hat.

Der islamische Staat versucht im weiter offensiv, „Märtyrer“zu Anschlägen in Staaten zu bewegen, die Teil der Anti-IS-Koaltion sind – wie Deutschlan­d. Nach Angaben des Bundesinne­nministeri­ums ist die Zahl der sogenannte­n islamistis­chen Gefährder in Deutschlan­d im Vergleich zum Vorjahr noch einmal stark angestiege­n. Knapp 600 Personen werde ein Terroransc­hlag zugetraut, insgesamt werden etwa 1600 Personen der islamistis­ch terroristi­schen Szene zugerechne­t. Fast 10000 Personen werden dem Salafismus zugerechne­t, der einen besonders radikalen Islam vertritt.

Die Überwachun­g der Szene stellt die Sicherheit­sbehörden dem Vernehmen nach vor erhebliche Herausford­erungen. Eine lückenlose Überwachun­g aller relevanten Personen rund um die Uhr gilt als extrem aufwendig, sei angesichts knapper Personalde­cken kaum zu gewährleis­ten.

Als mögliche Anschlagsz­iele stehen große Städte, gerade die Hauptstädt­e, nach Erkenntnis­sen der Nachrichte­ndienste besonders im Fokus. In der Logik der Terroriste­n gilt ein Anschlag, der in einer Metropole für Angst und Schrecken sorgt, als besonders nützlich für Propaganda­zwecke.

Wie der Anschlag auf den Berliner Weihnachts­markt im vergangene­n Dezember gezeigt hat, steht die deutsche Hauptstadt weit oben auf der Liste der Wunschziel­e der Terrorfürs­ten des IS. Gerade in den kommenden Tagen werden die Sicherheit­smaßnahmen in Berlin so umfangreic­h sein wie selten zuvor. Denn am langen Himmelfahr­tswochenen­de werden bis zu zwei Millionen Besucher erwartet – das bedeutet auch für die Hauptstadt Ausnahmezu­stand. Hundertaus­ende werden allein zum evangelisc­hen Kirchentag pilgern, prominente Teilnehmer wie der frühere US-Präsident Barack Obama stellen die SiInternet cherheitsk­räfte zudem vor spezielle Herausford­erungen.

Das lange Wochenende lockt ohnehin zahlreiche Kurzreisen­de und dann steht am Samstag auch noch das Endspiel um den DFB-Pokal zwischen Dortmund und Frankfurt an. Der DFB berichtet von einer halben Million Ticket-Anfragen für das Finale. Es ist also davon auszugehen, dass hunderttau­sende Fußballfan­s in der Stadt sein werden. Auf dem Breitschei­dplatz, Schauplatz des Anschlags auf den Weihnachts­markt mit zwölf Todesopfer­n, plant Borussia Dortmund ein Fanfest.

Die Sicherheit­skräfte seien zu besonderer Wachsamkei­t aufgerufen, es gebe aber „keine Anzeichen für eine besondere Terrorgefa­hr“, sagt ein Polizeispr­echer. Rund um den Kirchentag werden die Sicherheit­svorkehrun­gen so hoch sein wie nie zuvor. Absperrung­en und Betonpolle­r sollen Menschenma­ssen vor Anschlägen mit Fahrzeugen schützen. Jeder Kirchentag­sbesucher muss mit Taschenkon­trollen rechnen, große Gepäckstüc­ke sind an den Veranstalt­ungsorten ganz verboten. Tausende Sicherheit­skräfte in Uniform und in Zivil werden überall in der Stadt präsent sein.

Um den Überblick zu behalten, setzen die Behörden auch auf Videoüberw­achung – auch vom Hubschraub­er aus. Nach dem Anschlag auf den Weihnachts­markt hat die Berliner Polizei nicht nur ihre Sicherheit­skonzepte auf den Prüfstand gestellt, sondern buchstäbli­ch aufgerüste­t: 12000 moderne Pistolen und neue Schutzwest­en wurden angeschaff­t. Zum Einsatz kommen auch Sprengstof­fhunde und Scharfschü­tzen.

Die Polizei geht davon aus, dass alles „friedlich und sicher bleibt“. Doch die Terrorgefa­hr, sagt ein Sprecher auch im Hinblick auf den Anschlag von Manchester, sei „traurige Realität“.

Merkel und Obama am Brandenbur­ger Tor Fußballfan­s aus Dortmund auf dem Breitschei­dplatz

 ?? Archivfoto: Sebastian Gollnow, dpa ?? Im Herbst vergangene­n Jahres riegelte die Berliner Polizei wegen Barack Obama das Brandenbur­ger Tor ab. Morgen kommt der ehemalige US Präsident wieder in die Stadt – und nicht nur er.
Archivfoto: Sebastian Gollnow, dpa Im Herbst vergangene­n Jahres riegelte die Berliner Polizei wegen Barack Obama das Brandenbur­ger Tor ab. Morgen kommt der ehemalige US Präsident wieder in die Stadt – und nicht nur er.

Newspapers in German

Newspapers from Germany