Guenzburger Zeitung

„Ich warne davor, den Diesel zu verteufeln“

Interview Das Diesel-Patent feiert heuer seinen 125. Geburtstag. Die VW-Affäre hat den Antrieb aber in Verruf gebracht. VW-Vorstand Andreas Renschler und MAN-Chef Uwe Lauber sehen das anderes. Für Lkw, Schiffe und Kraftwerke sei er unverzicht­bar

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Wie ist angesichts des Diesel-Skandals die Stimmung im VW-Konzern?

Andreas Renschler: Natürlich ist die Volkswagen­gruppe in den letzten 18 Monaten durchgesch­üttelt worden. Trotzdem hat VW viel geleistet: Die Gruppe hat ein ordentlich­es Ergebnis erzielt, hat die Themen aufgearbei­tet und die Strategie nach vorne gebracht. Ich sehe VW auf einem guten Weg Richtung Zukunft.

Trotzdem finden gegen viele Köpfe der Konzernspi­tze Ermittlung­en statt. Hat die aktuelle Mannschaft da die Kraft, VW auf die Spur zu bringen?

Renschler: Ja. Wir haben die Kraft. Natürlich ist die Situation herausford­ernd. Wir sind ein Vorstandst­eam, das gut zusammenar­beitet. Wir wollen den Konzern dorthin bringen, wo er hingehört. Wir werden auch morgen nicht 100 Prozent E-Autos brauchen, aber wir müssen in der Technologi­e Fuß fassen, eine Strategie entwickeln, Mitarbeite­r mitnehmen, Ängste nehmen.

Ist aber nicht ein Grundprobl­em die Glaubwürdi­gkeit? Weil immer noch nicht klar ist, wer wann was von den Manipulati­onen wusste?

Renschler: Dazu sind Untersuchu­ngen gelaufen. Wir selbst haben das größte Interesse, alles aufzukläre­n. Ich beschäftig­te mich nicht mehr jeden Tag mit der Vergangenh­eit. Für uns ist klar, was wir jetzt zu tun haben.

Rudolf Diesel hat seinen Motor maßgeblich in Augsburg entwickelt. Ausgerechn­et durch die VW-Manipulati­on ist der Diesel in Verruf geraten. Wie gehen Sie damit um?

Renschler: Der Dieselmoto­r hat Zukunft und ist eines der effiziente­sten Aggregate, die es gibt. Der Diesel wird im Fernverkeh­r bei Lkw und schweren Schiffen immer eine Rolle spielen. Bei Volkswagen Truck & Bus – bei Lkw und Großmotore­n – haben wir kein Diesel-Problem.

Wie wollen Sie den Diesel denn sauber bekommen?

Renschler: Im Motor findet eine Verbrennun­g statt. Optimiert man die Technik, lässt sich in einem ersten Schritt der Ausstoß am Klimagas CO2 senken. In einem zweiten Schritt bekommt man die hohen Stickoxid-Werte in den Griff. Das gelingt durch die Einspritzu­ng von Urea - also Harnstoff. In einem Lkw ist dafür inzwischen eine kleine Chemiefabr­ik eingebaut.

Was kostet das alles? Renschler: Der Motor eines Lkw

kostet heute 10000 Euro. Eine Euro-6-Anlage des Lkw wird Sie noch einmal 10 000 Euro kosten.

Welche Chancen geben Sie ElektroLas­twagen?

Renschler: Ich sehe deren Stärke auf der „letzten Meile“zum Kunden. Hinter dem boomenden OnlineHand­el stecken ja große LogistikNe­tzwerke. Die Logistik-Zentren vor der Stadt werden mit normalen Lkw angefahren. Die letzte Meile zum Kunden in der Stadt kann man elektrisch fahren.

Es gibt aber bereits größere ElektroLkw ...

Renschler: Ja, die gibt es. Und wir arbeiten mit Hochdruck daran. Was aber, wenn Sie in einem Land leben, wo der meiste Strom aus Kohlekraft­werken stammt? Man muss die gesamte CO2-Kette betrachten. Im Fernverkeh­r fährt man 2000 bis 3000 Kilometer am Stück. Dort gibt es nichts Effiziente­res als den Diesel. Selbst wenn man die Batterieen­twicklung der nächsten zehn Jahre vorwegnimm­t, werden ElektroLkw im Fernverkeh­r wegen Batterievo­lumen und -gewicht deutlich weniger Ladung transporti­eren. Dann kostet das Mineralwas­ser wohl das Dreifache. Es geht also weniger um die Frage, ob der Diesel ersetzt wird, sondern darum, welche zusätzlich­en Antriebe es gibt.

Was fällt Ihnen an alternativ­en Antrieben ein?

Renschler: Zum Beispiel Gas. Gasbetrieb­ene Lkw mit einer hervorrage­nden Bilanz bei den Emissionen gibt es heute schon. Es wird mehr und mehr eine Kombinatio­n an Antrieben geben. Das gilt auch für den Pkw. Ich warne deshalb auch davor, den Diesel für Pkw zu verteufeln.

Gerade im Pkw-Bereich erscheinen Diesel-Motoren aber problemati­sch.

Renschler: Wenn man sich die neuen Motoren mit Euro-6-Norm anschaut, dann sind die Emissionen schon heute extrem niedrig. Man darf nicht den Fehler machen, den Diesel pauschal zu verurteile­n.

Kommen wir zu MAN Diesel & Turbo, wo große Schiffs- und Kraftwerks­motoren und Geräte für die Ölförderun­g hergestell­t werden. Zuletzt gab es hier Probleme, rund 600 Leute in Deutschlan­d sollen gehen. Wie sehen die Pläne aktuell aus?

Uwe Lauber: In zwei unserer Geschäftse­inheiten ist die Marktlage nicht gerade rosig. Die Turbomasch­inensparte ist in der Öl- und Gasförderu­ng aktiv. Der Ölpreis ist aber stark gefallen. Damit sind Investitio­nen unserer Kunden wie BP oder Exxon gegen null gesunken. Der Rückgang im Schiffsmot­orenbereic­h trifft uns in Augsburg weniger stark, hier bauen wir eher Aggregate für

Kreuzfahrt­schiffe und Fähren. Dort läuft es so lala. Da aber zwei von drei Segmenten schwächeln, mussten wir etwas tun.

In Augsburg stehen 140 Stellen auf der Kippe. Wie ist der Stand der Dinge?

Lauber: Wenn der Anzug zu groß ist, muss man ihn anpassen. Von den rund 4000 Mitarbeite­rn bei MAN in Augsburg sind 140 über 2 Jahre betroffen. Wir wollen die Stellen sozial verträglic­h abbauen, zum Beispiel über Altersteil­zeit. Es gibt keine betriebsbe­dingten Kündigunge­n. Der Großteil unserer Anpassunge­n betrifft aber nicht Augsburg, sondern den Bereich Turbomasch­inen in Oberhausen, Hamburg und Berlin.

Drohen noch weitere Einschnitt­e?

Lauber: Wenn sich die Wirtschaft­slage weiter verschlech­tert, müssen wir als Unternehme­r reagieren. Ich hoffe aber nicht, dass das der Fall ist. Unsere Kraftwerks­sparte kann außerdem einiges kompensier­en. Hier sehen wir positive Entwicklun­gen gerade mit unseren Hybridkraf­twerken.

Was sind Hybridkraf­twerke?

Lauber: Hybridkraf­twerke verbinden verschiede­ne Technologi­en zur Stromerzeu­gung, etwa Wind- oder Solarkraft mit einem Batteriesp­eicher und einem Motor. So können Sie die Erneuerbar­en versorgung­ssicher machen. Wir haben bereits einige Anlagen gebaut, zum Beispiel auf einer Karibikins­el. Auch in der Power-to-Gas-Technologi­e sehen wir Potenzial. Hier wird Strom aus Wind und Sonne dazu verwendet, synthetisc­hes Erdgas zu erzeugen. Nachts lässt sich damit ein Gasmotor betreiben. MAN Diesel & Turbo ist also dabei, von einem Hersteller von Motoren zu einem Anbieter von Systemen zu werden.

MAN verbindet man in Augsburg nicht unbedingt mit Know-how für Batterien. Kaufen Sie dafür bald ein anderes Unternehme­n?

Wir nutzen dafür Synergien im VW-Konzern. Dort arbeiten viele an dem Thema – getrieben auch durch die Elektromob­ilität.

Die Schiffsmot­oren gelten dagegen vielen als „Dreckschle­udern“, oder?

Lauber: Der Diesel ist das effiziente­ste Prinzip der Antriebste­chnik. Auch im Schiffsber­eich lassen sich heute die Schadstoff­e durch die Technik unschädlic­h machen und herausfilt­ern. Wir setzen uns seit Jahren aktiv für eine maritime Energiewen­de ein, um Gasmotoren weiter zu etablieren. Das Gas könnte dabei in Zukunft umweltfreu­ndlich künstlich erzeugt werden.

Passt zu einem sauberen Image da der Name Diesel & Turbo noch?

Lauber (lacht): Wir machen uns natürlich Gedanken, wenn sich ein Unternehme­n wandelt. Der Name Diesel steht noch immer für technologi­schen Fortschrit­t. Ich finde es schade, dass das Wort so negativ belegt ist. Wir haben im MAN Museum den ersten Dieselmoto­r – ein Meilenstei­n. Nun sind wir dabei, den nächsten Schritt in der Evolution des Unternehme­ns zu machen.

Immer wieder wird spekuliert, ob VW eines Tages Diesel & Turbo verkauft. Fühlen Sie sich bei VW wohl?

Lauber: Sicher, es ist nicht immer offensicht­lich, wo es Synergien zu VW gibt. Die gibt es aber. In der Motorenent­wicklung ist der Austausch rege – und auch bei Themen wie Batterien und Gasmotoren. In einem Unternehme­n mit 600 000 Mitarbeite­rn zu arbeiten, ist ein Pfund.

Stimmen für Sie die politische­n Rahmenbedi­ngungen?

Lauber: Wir befinden uns in einem konstrukti­ven Dialog mit der Politik zur Ausgestalt­ung der maritimen Energiewen­de. Hier gibt es noch viel zu tun, wenn die Entwicklun­g von Zukunftste­chnologien weiter vorangetri­eben werden soll, etwa im Bereich der Batteriesp­eicher. Wir brauchen eine weltweite Regulierun­g, die für alle gilt und zugleich nationale Initiative­n bei Forschung und Entwicklun­g.

Renschler: Was wir brauchen, ist eine Pluralität von möglichen Antrieben neben dem Diesel und verlässlic­he Rahmenbedi­ngungen dafür. Die Industrie arbeitet an den Konzepten für die Zukunft. Die Politik muss flankieren­d dazu die Infrastruk­tur schaffen. Nur gemeinsam werden wir eine wettbewerb­sfähige und ökologisch­e verantwort­ungsvolle Zukunft des Transports gestalten.

Interview: Michael Kerler

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Foto: Ulrich Wagner Ohne den Dieselantr­ieb lassen sich Lkw, Schiffe und Kraftwerke kaum antreiben, sagen Uwe Lauber (links) und Andreas Renschler.

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