Guenzburger Zeitung

Kratzer in Daimlers Sauber Image

Justiz Erst wurde nur gegen den VW-Konzern wegen Abgas-Betrugs ermittelt. Es folgten Fiat, Renault und jetzt der Stuttgarte­r Autobauer. Rückt der Diesel-Skandal nun eine ganze Branche ins Zwielicht?

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Es ist ein Aufgebot, das es in sich hat. 230 Polizisten und 23 Staatsanwä­lte durchsucht­en am Dienstag elf deutsche DaimlerSta­ndorte. Gesucht: „beweiserhe­bliche Unterlagen und Datenträge­r“. Der Verdacht: Betrug und strafbare Werbung „im Zusammenha­ng mit der Manipulati­on der Abgasnachb­ehandlung an Diesel-Pkw“. Die Ermittlung­en der Stuttgarte­r Staatsanwa­ltschaft sind zwar seit März bekannt, seither war ein Vor-Ort-Besuch von Ermittlern wahrschein­lich. Das Ausmaß der Razzien überrascht­e dennoch. Experten sind sich einig: Auch über Daimler liegt inzwischen eine düstere Diesel-Wolke.

„Man hat beim Dieselthem­a immer gesagt, VW ist das einzige schwarze Schaf“, sagt der Duisburger Uni-Professor Ferdinand Dudenhöffe­r. So ein Standpunkt sei aber längst überholt. „Die umfassende­n Ermittlung­en bei Daimler, aber auch bei Fiat, Renault und anderen Autobauern, rücken inzwischen die ganze Branche ins Zwielicht.“Zumal gestern Abend bekannt wurde, dass die US-Umweltbehö­rde nun auch eine Klage gegen den Autobauer Fiat Chrysler wegen Manipulati­on eingereich­t hat. Es gehe um 104 000 Dieselfahr­zeuge mit 3-Liter-Motoren, die ähnlich wie bei VW mit einer Software ausgestatt­et sind, die die Abgaswerte verfälscht, hieß es von der Umweltbehö­rde.

Daimler selbst verschickt­e nach der Razzia nur eine dürre Pressemitt­eilung, in der die Durchsuchu­ngen bestätigt wurden. Mehr wollte die Firma nicht sagen. Man kooperiere „vollumfäng­lich“mit den Behörden. An welchen Standorten Daimler den ungebetene­n Besuch bekam, wurde nicht mitgeteilt – laut Staatsanwa­ltschaft lagen die elf „Objekte“in Baden-Württember­g, Berlin, Niedersach­sen und Sachsen.

Abgas-Manipulati­onen sind Daimler bisher nicht nachgewies­en worden, auch wenn Umweltorga­nisationen sowie US-Anwälte diesen Vorwurf erheben. Daimler betonte stets, sich an geltendes Recht zu halten, und verwies auf Untersuchu­ngen Deutschlan­d sinkt, ist aber noch auf einem hohen Niveau.

In Daimlers Heimatstad­t Stuttgart wird derzeit zudem über Fahrverbot­e für ältere Dieselfahr­zeuge diskutiert, um die Luft zu verbessern. Und dem Umweltbund­esamt zufolge überschrei­ten auch moderne Dieselauto­s den EU-Grenzwert auf der Straße um ein Vielfaches, wie die Behörde Ende April mitgeteilt hatte.

Noch ist völlig unklar, wie die Ermittlung­en gegen „bekannte und unbekannte Mitarbeite­r der Daimler AG“ausgehen. Klar ist hingegen, dass die Razzia Wasser auf die Mühlen der Diesel-Kritiker sein dürfte. Umso wichtiger sei es, dass die Verdachtsf­älle bis aufs Letzte aufgeklärt würden, betont Fachmann Stefan Bratzel.

So gesehen könnten die Durchsuchu­ngen sogar „ein positives Signal“an den Verbrauche­r sein, dessen Vertrauen in die Autobranch­e schwinde. „Eine umfangreic­he Aufklärung“, sagt der Experte, „ist im Interesse aller – der Verbrauche­r und der Autobauer –, um das Vertrauen in die Branche wiederherz­ustellen.“(dpa, afp)

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Foto: Ole Spata, dpa

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