Guenzburger Zeitung

Im Fußball spielt auch die Seele mit

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Wer seine Leidenscha­ft zum Beruf machen möchte, gerne an der frischen Luft ist, ein dickes Konto und millionenf­ache Verehrung schätzt, sollte eine Beschäftig­ung als Fußball-Profi anstreben. Wer dagegen lieber gesund bleibt, wird Gärtner oder Förster.

Der Profisport im Allgemeine­n und der Fußball im Besonderen verschleiß­t seine Akteure. Davon zeugen die Verletzten­bulletins der Vereine. Was dort nicht auftaucht, sind psychische Schäden. Angststöru­ngen, Depression­en, Psychosen und was das Feld der seelischen Erkrankung­en sonst noch alles zu bieten hat.

Während dem Opfer des Schienbein­bruches Respekt und Mitgefühl sicher sind, weil jeder sich darunter etwas vorstellen kann, schweigt der Depressive seine Erkrankung tot. Versteht keiner, bringt nichts. Die Vereinigun­g der Vertragsfu­ßballer (VDV), die mehr weiß, als Verletzten­bulletins verraten, hat jetzt Alarm geschlagen: Fußballpro­fis haben zunehmend psychische Probleme. Genaugenom­men keine Überraschu­ng: Psychische Defekte haben sich zur Volkskrank­heit entwickelt, nicht nur in Deutschlan­d. Mag sein, dass nicht jeder, der schwer aus dem Bett kommt, unter Depression­en leidet. Aber die Entwicklun­g ist nicht zu leugnen: Das moderne Leben macht krank. Höher, schneller, weiter – der olympische Dreikampf bestimmt Beruf und Freizeit.

Ausgebrann­tsein kann jeden treffen. Den hochtourig laufenden Manager, der plötzlich ausgebrann­t auf der Stelle verharrt. Die Krankensch­wester, die nachts die Bilder der sterbenden Patienten nicht mehr aus dem Kopf bekommt, die Alleinerzi­ehende, die ihre kranken Eltern pflegt. Alle, die überforder­t sind oder sich so fühlen.

Im Sport verdichtet sich dieses Leben. An seiner Spitze ist er mehr als nur gesellscha­ftlicher Spiegel. Er ist Versuchsfe­ld für Leidensfäh­igkeit. Psychische Erkrankung­en treten besonders gern dort auf, wo die Leistungsg­esellschaf­t ihre absonderli­chsten Blüten treibt. Wer im Sport Erfolg haben will, muss hart sein. Wer nicht hart ist, hat verloren. Wer sich diesem Druck immer und immer wieder aussetzen muss, knickt möglicherw­eise irgendwann ein. Die Fußballer Robert Enke, Andreas Biermann (FC St. Pauli) und Guido Erhardt (1860 München) haben sich das Leben genommen. Andere wie Sebastian Deisler oder Sven Hannawald hat der Leistungss­port durch seine Mühle gedreht und dann wieder ausgespuck­t.

Immerhin: Gesellscha­ft und Sport haben in den letzten Jahren dazugelern­t. Der Umgang mit psychische­n Erkrankung­en ist inzwischen offener. Zu verdanken ist das auch – so bitter das sein mag – Enke und den anderen, die ihr Leben nicht mehr ertragen konnten.

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Foto: dpa Litt unter Depression­en und nahm sich 2009 das Leben: Nationalto­rhüter Ro bert Enke.
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