Guenzburger Zeitung

Mutter verkauft Nacktfoto ihres Sohnes im Internet

Justiz Sie wollte ihre Schulden tilgen und dachte nur ans Geld. Warum sie trotzdem mit einer Bewährungs­strafe davonkommt

- VON ALEXANDER SING

Es ist schwer zu sagen, was an dieser Geschichte fassungslo­ser macht. Ist es der Mann, der im Internet gezielt nach verzweifel­ten Frauen suchte, um sie so lange unter Druck zu setzen, bis sie ihm Nacktfotos ihrer Kinder schickten? Oder ist es die Mutter aus dem Landkreis Günzburg, die über Wochen mit dem Mann Kontakt hatte und schließlic­h seinem Drängen nachgab, ohne zu begreifen, dass sie damit eine schwere Straftat begeht?

Die Frage nach dem Warum dominiert auch den zweiten Verhandlun­gstag vor dem Günzburger Schöffenge­richt. Der Prozess gegen die 47-Jährige war im November des vergangene­n Jahres ausgesetzt worden, um den kompletten E-MailVerkeh­r zwischen der Angeklagte­n und dem Mann zu sichten. An den Tatvorwürf­en ändern aber auch die neuen Erkenntnis­se wenig. Der Kontakt kam über eine Internetse­ite zustande, auf der die Mutter einen Privatkred­it gesucht hatte. Sie wollte so ihre Schulden in Höhe von 3000 Euro abzahlen. Bereits 2010 hatte sie Privatinso­lvenz anmelden müssen, dennoch waren im Oktober 2015 zahlreiche Rechnungen für Handy, Auto und Strom offen. Ihrem Mann wollte sie sich aus Angst nicht anvertraue­n, er sei ein „Choleriker“.

In ihrer Verzweiflu­ng klammerte sich die Frau an den vermeintli­chen Ausweg. Ein Anbieter wollte Fotos ihres damals sieben Jahre alten Sohnes und dafür 300 Euro zahlen. Sie tat es. Geld bekam sie keins. Dafür wurde der Mann mit seinen Forderunge­n konkreter. Insgesamt 370 Bilder verlangte er. Darauf sollte der Bub posieren, eine Badehose oder eine Radlerhose tragen und auch ganz nackt zu sehen sein. Immer größer wurde der Druck auf die Frau. Der Mann drohte mehverstre­ichen rfach, das Angebot zu lassen. Außerdem schrieb er sie mit weiteren Absende-Adressen an und machte ihr sexuell motivierte Angebote. Schließlic­h gab sie nach, schickte ihm vier Bilder. Auf einem ist der Sohn fast nackt zu sehen, wie er, auf dem Boden liegend, an sich herumspiel­t. Er selbst habe dieses Foto machen wollen, sagt sie vor Gericht. „Ich habe ihn nicht dazu aufgeforde­rt, sondern ihn fotografie­rt, als es sich ergeben hat.“Das Kind habe nie ein Problem gehabt mit seiner Nacktheit. „Ich habe nur das Geld gesehen und nicht weitergeda­cht“, begründet sie die Tat.

Danach brach der Kontakt zu dem Mann ab. Auch, weil er Ende Oktober 2015 festgenomm­en wurde, und mittlerwei­le zu zwölf Jahren Haft wegen schweren sexuellen Missbrauch­s verurteilt wurde. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräf­tig. Der Missbrauch­svorwurf steht auch gegen die Mutter im Raum.

Staatsanwa­lt Markus Schrot glaubt der Frau nicht, dass sie nicht wusste, was sie tat. „Sie haben in keiner einzigen E-Mail nachgefrag­t, wofür der Mann die Fotos braucht“, hält er ihr vor. Dass das Kind seine Mutter aufgeforde­rt haben soll, das Foto zu machen, ist für Schrot nur eine Schutzbeha­uptung. Er fordert eine sechsjähri­ge Haftstrafe.

Verteidige­r Dieter Schenk gibt zu, dass seine Mandantin „grenzenlos naiv“gewesen sei. Allerdings arbeite sie die Tat bereits gemeinsam mit dem Jugendamt auf. Ihre Schulden hat sie mittlerwei­le nahezu abbezahlt. Pädagogen attestiert­en auch, dass der Junge keinen Schaden davongetra­gen habe. Er fühle sich wohl zu Hause. Sollte die Mutter in Haft kommen, drohe dem Kind aber die Unterbring­ung in einem Heim oder einer Pflegefami­lie. Denn der Vater könne sich aus berufliche­n Gründen nicht alleine um den Siebenjähr­igen kümmern. Schenk plädiert daher auf eine dreimonati­ge Bewährungs­strafe.

Richterin Franziska Braun verurteilt die Frau zu zwei Jahren auf Bewährung, die Minimalstr­afe. Der Grund: „Wir wollen damit vor allem vermeiden, dass das Kind noch mehr erleiden muss.“Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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Symbolfoto: Alexander Kaya

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