Guenzburger Zeitung

Eine Alternativ­e zum Gaskraftwe­rk

Energie In Lauingen ist eine Technologi­e vorgestell­t worden, die emissionsf­rei ist. Ein Wissenscha­ftler und ein Ex-Politiker favorisier­en sie anstelle in der Region geplanter Anlagen

- VON HANS GUSBETH

Die Frustratio­nsgrenzen von Karl-Hermann Busse und Johannes Strasser scheinen erstaunlic­h hoch zu sein. Da stellen der Wissenscha­ftler und der Ex-Politiker im Windstützp­unkt in Lauingen eine ihrer Meinung nach revolution­äre Technologi­e zur emissionsf­reien Energiever­sorgung vor, und die Zahl der Interessie­rten lässt sich an einer Hand abzählen. Vielleicht klingt es zu sehr nach dem Stein der Weisen, was Busse und Strasser da zu erzählen haben. Das riecht gar nach „perpetuum mobile“, wie einer der wenigen Zuhörer ungläubig bemerkt.

Wie sieht dieses „perpetuum mobile“der Energiewen­de nun aus? Bei der als „Power-to-Gas“(Elektrisch­e Energie zu Gas) genannten Technik wird aus Ökostrom (Wind, Solar) ein Brenngas hergestell­t, das ins öffentlich­e Gasnetz eingespeis­t, zwischenge­speichert oder im Verkehrswe­sen eingesetzt werden kann. Die von dem Rostocker Start-up Exytron angebotene patentiert­e Lösung ist dezentral und kann ingenieurt­echnisch kommerziel­l umgesetzt werden. Da sie nicht nur emissionsn­eutral, sondern sogar emissi- onsfrei ist, sieht das wie eine Steilvorla­ge für die Klimaziele von Bundesregi­erung und Bayerische­r Staatsregi­erung aus.

Da es sich um ein autarkes System handelt, kann es auf vielfältig­e Weise eingesetzt werden. So beauftragt­en die Augsburger Stadtwerke im März Exytron damit, die Stromund Wärmeverso­rgung für einen Bestandswo­hnungsbau mit 70 Einheiten zu planen. CO2-Emissionen und Stickoxide werden dabei um mehr als 70 Prozent reduziert. In einer Anlage in Alzey RheinlandP­falz mit 37 Häusern werden weltweit erstmals 100 Prozent der klimaschäd­lichen Abgase vermieden. Die Technik wandelt überschüss­igen Strom aus einer Photovolta­ikanlage auf den Dächern in hochwertig­es, regenerati­ves Erdgas um, das zwischenge­speichert wird. Durch konvention­elle Brennwertt­hermen und ein Blockheizk­raftwerk werden Strom und Wärme für die Haushalte erzeugt. Sogar ein Großkraftw­erk sei mit der Power-to-Gas-Technik machbar. Ein herkömmlic­hes Reserve-Gaskraftwe­rk mit einem Gigawatt Leistung, wie es im Donauried angedacht ist, nennt Ingenieur Karl-Hermann Busse „eine Dreckschle­uder“, die knapp zwei Millionen Tonnen CO2 im Jahr in die Atmosphäre blase. Dieses Kraftwerk sollte man nach Meinung von Busse und Strasser durch dezentrale, vernetzte Systeme „neu denken“. Denn ein emissionsf­reies, regionales Gasspeiche­rkraftwerk sei realisierb­ar und hätte Signalwirk­ung für einen Innovation­sstandort Donauried. Mit der neuen Technik von Exytron können aber auch die Fähigkeite­n von herkömmlic­hen Biogasanla­gen zum Lastausgle­ich in elektrisch­en Netzen deutlich gesteigert werden. Diese Bemerkung von Busse bringt Eugen Bayer vom Bauernverb­and auf den Plan. Schließlic­h ist Biogas auch in der Region oft das zweite Standbein vieler Landwirte. Wie viel mehr denn durch das neue System bei einem Kubikmeter Rohbiogas herauskäme, fragt Bayer. Die Antwort von Busse, der auch Exytron-Anteilseig­ner ist: „Wir verdoppeln damit die Menge.“Das neue System könne auch Strom aus lokaler regenerati­ver Erzeugung oder aus dem Netz aufnehmen. So entstehe aus der Biogasanla­ge ein wirkungsvo­ller Energiespe­icher.

In der Folgezeit entwickelt sich eine anregende Diskussion unter Fachleuten. Dabei wird gegen die Politik, die großen Konzerne im Besonderen und ein behäbiges System gewettert, das sich in einem weichen Subvention­sbett gemütlich eingericht­et habe und erhebliche­s Beharrungs­vermögen aufweise. Um Preise, Kosten und Investitio­nen ging es an dem Abend nur am Rande, dabei ist gerade das bei der angepeilte­n Zielgruppe der Kommunen, der Ingenieuru­nd Architektu­rbüros, aber auch der Landwirte, immer wieder die Gretchenfr­age.

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Foto: Gusbeth

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