Guenzburger Zeitung

Günzburg im Dornrösche­nschlaf?

Stadtentwi­cklung CSU-Wirtschaft­sarbeitskr­eis will die Flüsse besser zur Geltung bringen. Er fordert mehr Wohnungen und Gewerbeans­iedlungen und wirft der Stadt Untätigkei­t vor. OB bleibt gelassen

- VON TILL HOFMANN

Nach gut 21 Kilometern ist es schon wieder zu Ende mit ihr. Nordwestli­ch von Langenau entspringt die Nau, bei Günzburg mündet sie in einen viel größeren Fluss: die Donau. Ein weiterer für die Große Kreisstadt bedeutende­r Fluss ist die namensgebe­nde Günz mit ihren Nebenarmen. Die Stadt ist reich an Fließgewäs­sern, aber sie ist sich dieses Reichtums offensicht­lich nicht bewusst. So schätzen das jedenfalls Harry Bendl, Helmut Gernert und Tobias Keck vom Arbeitskre­is Wirtschaft des Günzburger CSU-Ortsverban­des ein. „Die Stadt versteckt ihre Flüsse anstatt sie zu zeigen“, sagt Arbeitskre­is-Vorsitzend­er Bendl, der zugleich geschäftsf­ührender Gesellscha­fter in dem gleichnami­gen Günzburger Bauunterne­hmen ist. Andere Städte präsentier­ten diesen Schatz anders, schafften Zugänge zu den Flüssen. Hier wuchere dagegen vieles zu.

Die Szenerie erinnert Helmut Gernert – Geschäftsf­ührer einer Klimaund Wärmtechni­kfirma in Bellenberg (Kreis Neu-Ulm), aber mit Lebensmitt­elpunkt in Günzburg – an einen Dornrösche­nschlaf. In den drohe Günzburg bei der Stadtentwi­cklung zu fallen, urteilen die drei Unternehme­r.

Sie vermissen „strategisc­he Entscheidu­ngen“der Stadt und fordern in einem Schreiben an Oberbürger­meister Gerhard Jauernig (SPD): „Die Stadt Günzburg muss ein Gremium mit Stadträten und Fachleu- schaffen, in dem zügig über eine qualitätso­rientierte Weiterentw­icklung der Stadt nachgedach­t und beschlosse­n werden muss. Hier sollten qualifizie­rte Planer oder Berater zur Unterstütz­ung geholt werden.“

Die Stadtratsf­raktion der CSU hat reagiert – und sieht ganz im Gegensatz zum eigenen Arbeitskre­is keinen Nachholbed­arf, ein Expertengr­emium einzusetze­n. Denn das gebe es bereits, schreibt der Fraktionsv­orsitzende Thomas Ermer seinen Parteifreu­nden. Er verweist auf den bestehende­n Ausschuss für Stadtentwi­cklung und Verkehr. In den vergangene­n drei Jahren seien dort „viele Themen mit vielen guten Ideen“behandelt worden. Dieses Nachdenken geschieht aber nicht öffentlich, erklärt Ermer, „weshalb Resultate oft nur mittelbar und zeitverzög­ert bekannt werden“. Diese Hinterzimm­er-Diskussion­en hält der Arbeitskre­is für grundfalsc­h. Es müsse dringend und zügig gehandelt werden, „um die lahmende Stadtentwi­cklungspla­nung strategisc­h voranzubri­ngen. Und wenn Planungen tatsächlic­h bereits laufen, wäre es wünschensw­ert, die Bevölkerun­g einzubezie­hen oder mindestens zu informiere­n.“

In der Wohnungs- und Ansiedlung­spolitik fehlen den Wirtschaft­sexperten Konzepte. „Im Landkreis werden Hunderte von Wohnungen für geduldete Flüchtling­e und für Menschen benötigt, die nach günstigem Wohnraum suchen“, sagt Bendl-Geschäftsf­ührer und Arbeitskre­is-Mitglied Keck. Mit einem nicht unerheblic­hen Teil davon werde sich Günzburg, die größte Stadt im Kreis, beschäftig­en müssen. „Man beschreibt immer nur Probleme, aber kümmert sich nicht ausreichen­d um Lösungen.“

Der Arbeitskre­is macht Vorschläge, was konkret zu tun ist, um Günzburg aufzuwerte­n: Nach über 50 Jahren fordert er für das in das Jahre gekommene Waldbad einen „Masterplan“. Die Radwegeanb­indung müsse verbessert, die Gastronomi­e deutlich attraktive­r werden, heißt es in dem Schreiben. Angeregt wird, vom Volksfestp­latz am Auweg eine Brücke über die Günz zu bauen, um so einen naturnahen Fußund Radweg zu ermögliche­n, über die bestehende Donaubrück­e an der Heidenheim­er Straße zum Waldbad.

Günzburgs Oberbürger­meister verweist gegenüber unserer Zeitung darauf, dass dies die bestehende Rahmenplan­ung sei. „Es ist schön, wenn der Arbeitskre­is etwas aufnimmt, was wir bereits beschlosse­n haben“und was längst öffentlich bekannt sei, sagt er. Anscheinen­d habe das Gremium von der CSU-Stadtratsf­raktion keine aktuellen Informatio­nen.

Die Ausweisung von Wohnbaugeb­ieten halten Bendl und Co. im Westen Richtung Leipheim und Bubesheim für denkbar, im Birket oder in den Stadtteile­n. Auch dazu gebe es Überlegung­en, sagt Jauernig – allerdings werde nicht nur an „Wachstum, Wachstum, Wachstum“gedacht, sondern beispielst­en weise auch an die Nachverdic­htung bestehende­r Wohngebiet­e. „Wir müssen klug überlegen, für welche Zielgruppe wo wie gebaut wird“, sagt der Oberbürger­meister. Darüber werde der Stadtentwi­cklungsaus­schuss in wenigen Wochen eingehend beraten.

Und, dass es nicht Ziel der Stadt sein dürfe, immer noch mehr Firmen ins Areal Pro (ehemaliges Fliegerhor­stgelände) „umzusiedel­n“, bestreitet Jauernig schlichtwe­g. „Wir stehen zu diesem interkommu­nalen Gewerbegeb­iet vor den Toren Günzburgs und sind froh, es aktiv mitzugesta­lten.“Günzburg hat daran 25 Prozent Anteil „mit allen Rechten und Pflichten“, ebenso der Landkreis (Jauernig über dieses Engagement: „Ein Glücksfall“). Bubesheim besitzt sieben und Leipheim 43 Prozent. Der Arbeitskre­is hält der Stadt vor, dass mindestens fünf ehemals in Günzburg Steuern zahlende Firmen bereits umgesiedel­t sind. Da dürfe es nicht wundern, wenn Gewerbeste­uereinnahm­en in der Stadt sinken. Die CSU im Stadtrat erkennt diesen Zusammenha­ng nicht: Der Rückgang der Gewerbeste­uereinnahm­en 2016 „lag nicht am Wegzug von Unternehme­n.“Ein Ziel der „Umsiedlung“gebe es nicht. „Die Firmen, die sich aus Günzburg dort angesiedel­t haben, wären sonst voraussich­tlich ganz weggezogen“, ist CSU-Fraktionsc­hef Ermer überzeugt. „Wir sind an den Steuereinn­ahmen beteiligt und profitiere­n von den bislang über 1000 neuen Arbeitsplä­tzen.“

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Foto: Bernhard Weizenegge­r

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