Guenzburger Zeitung

Einmal Badstein, gemahlen und gerührt

Kur Das Krumbad besitzt mit dem Badstein ein eigenes Heilmittel. Wie und wofür er seit Jahrhunder­ten eingesetzt wird

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Alle Welt kennt das Fango von Abano, aber wer kennt den Badstein vom Krumbad? Dabei hat dieses alte Heilmittel genau so wirksame Inhaltssto­ffe wie die italienisc­hen Schlammpac­kungen. Der Badstein ist keine moderne Erfindung der Kurmedizin, sondern bereits seit Mitte des 17. Jahrhunder­ts bekannt. 1632 wurde es erstmals erwähnt. Inzwischen wurden die wirksamen Inhaltssto­ffe der zu Mehl vermahlene­n Molassestü­cken durch chemische Analysen und Zertifizie­rungen bestätigt.

Das Krumbad kann stolz darauf verweisen, ein eigenes Heilmittel zu besitzen, das allein für die Anwendunge­n im Bad abgebaut und aufbereite­t wird. Das erledigen der Bauhof und die Abteilung Landschaft­spflege der Ringeisenw­erke in Ursberg. Vitus Freimiller ist der „Herr der Steine“. Unter seiner Aufsicht wird die vom Bauhof mit einem Bagger abgetragen­e Masse auf dem Gelände der ehemaligen Landwirtsc­haft gelagert. Das letzte Mal rückte der Bagger vor neun Jahren aus und noch immer ist reichlich Material in Ursberg vorrätig. „Die Badsteinst­ücke sind, wenn sie aus dem Boden kommen, relativ weich. Es ist kein Gestein, sondern hat eher die Konsistenz von schwerem Letten“, erläutert Freimiller. Die Brocken müssen ungefähr drei Jahre austrockne­n. Eine Zeit, in der sie immer härter werden. Dann kann ein erster Verarbeitu­ngsschritt begonnen werden. Die Brocken werden geschredde­rt und anschließe­nd in der Halle nahe der Mühle gelagert. Nun trocknet das grobsandig­e bis kiesige Material weiter aus.

Ungefähr alle zwei Wochen liefert Ursberg dann je nach Bestellung zwischen 50 und 70 Kilo des frisch gemahlenen Badsteinme­hls in die Therapieab­teilung des Krumbades. Dort übernimmt Physiother­apeut Bernd-Joachim Nowak die Verantwort­ung. Der Leiter der Therapie- abteilung ist stolz auf das hauseigene Heilmittel, am liebsten würde er den Badstein nicht nur in der Grotte am Wegrand zeigen, sondern auch die Abbaustell­e markieren, um die Authentizi­tät des Badsteins noch mehr zu unterstrei­chen. Er erklärt: „Der Badstein hat sich erdgeschic­htlich im Tertiär und Quartär, also vor ungefähr 60 Millionen Jahren entwickelt. In etwa zwei Metern Tiefe, unter einer Schicht von Letten und blaugrauem Kies stößt man in der Umgebung vom Krumbad auf die Badsteinsc­hicht. Es handelt sich um ein Tonstein-Peloid mit hervorrage­nden Heileigens­chaften. Das besondere an dieser kalkfreien Tonerde ist der mit 65 Prozent sehr hohe Gehalt an Kieselsäur­e. Außerdem enthält sie die wasserlösl­ichen Bestandtei­le Kalzium, Natrium, Hydrogenca­rbonat und Chlorid.“

Mit diesem Heilmittel können zahlreiche Krankheite­n und Gebrechen therapiert werden. Unterschie­dlichste Anwendungs­möglichkei­ten stehen zur Verfügung. Ganz nach dem Bedarf des Patienten lässt sich eine Packung aus Badstein kalt oder warm auflegen. Doch zunächst muss aus dem staubtrock­enen Mehl eine geschmeidi­ge Paste hergestell­t werden. Das geschieht in einem Raum, der an eine Küche erinnert. Schließlic­h bilden Rührmaschi­ne, Kühlschran­k, Arbeitstis­ch, Spülbecken und Waschmasch­inen die Herzstücke des Raumes.

Jeden Morgen wird die notwendige Menge Steinmehl mit der entspreche­nden Menge Wasser in die Rührmaschi­ne gegeben, wo sie kontinuier­lich gerührt werden muss, um nicht zu verklumpen oder fest zu werden. Vor nicht all zu langer Zeit wurde noch händisch gerührt. Doch der Ausbau zu einem Kurbetrieb erfordert auch Rationalis­ierung. Das richtige Verhältnis von Mehl und Wasser, das auf 50 Grad aufgeheizt wird, beträgt ungefähr eins zu zwei, doch nur der Bademeiste­r hat das Gefühl für die punktgenau­e Mischung. Aus der Paste werden Wickel gestrichen. Zu den sofortigen Anwendunge­n kommen noch pro Tag etwa 30 bis 35 Kaltwickel. Dafür ist Blanka Wiest zuständig, die die warme Masse im Kübel abfüllt und am Arbeitstis­ch auf ausgelegte Tücher streicht. Ein Teil wird sofort auf die Patienten verteilt. Der andere gerollt und für die Anwendung an nächsten Tag in den Kühlschran­k gelegt, wo die Wickel in 24 Stunden auf Quellwasse­rtemperatu­r (6 bis 7 Grad) herunterge­kühlt werden.

Auch das Schlammkne­ten gehört zu den Badsteinth­erapien: Menschen, die beispielsw­eise an Arthrose der Hände leiden, dürfen ihre geplagten Finger im warmen Schlamm versenken und die weiche Masse kneten. Fast schwebend kann der Patient die Wirkung des Badsteins in der Softpackli­ege genießen. Da sie ein praktisch druckfreie­s Liegen ermöglicht, ist sie für druckempfi­ndliche Personen besonders wohltuend. Nach der Anwendung kommt die inzwischen bröckelig gewordene Masse aus den Wickeln und Eimern in einen Container hinter dem Vorbereitu­ngsraum. Einmal im Monat wird er vom Ursberger Bauhof entleert. Die angetrockn­eten Brocken wandern zurück auf den Badsteinbe­rg, wo sie mit den anderen Steinen langsam trocknen, um wieder vermahlen zu werden.

Es gibt aber auch Behandlung­en, bei denen das Badsteinpu­lver nicht zurückgewo­nnen werden kann. Wer ein Rasulbad erhält, bekommt eine Packung Badstein auf die Haut, die im warmen Saunaklima allmählich trocknet und dann abgespült wird, wobei ein heilender Dampf entsteht. Auch ein Vollbad, bei dem das Badewasser mit zwei bis drei Schaufeln Gesteinsme­hl aufbereite­t wird, entfaltet heilende Wirkung.

Im Krumbad wird der Badstein aber nicht isoliert angewendet, sondern ist Teil eines therapeuti­schen Systems, das auf den Säulen der Kneippsche­n Lehre beruht. Deshalb ist neben dem Stein und der Temperatur auch der Zeitpunkt der Anwendung wichtig. Der richtige Zeitpunkt ist auch für das einzige aus dem Badstein hergestell­te käufliche Produkt zu beachten: Die in einer Krumbacher Apotheke produziert­e Badsteinsa­lbe auf Wollwachsb­asis soll abends aufgetrage­n werden, damit sie über Nacht ihre Wirkung entfalten kann. Da der Naturpeloi­dschlamm sowohl für die Wärmezufuh­r als auch für den Wärmeentzu­g geeignet ist, ergeben sich heilende Wirkungen für die unterschie­dlichsten Erkrankung­en. Deshalb bietet das Krumbad BadsteinTh­erapien nach ärztlicher Verordnung im Bereich der Orthopädie, der Frauenheil­kunde, der Artrose und der Arthritis.

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Vitus Freimiller ist für das Trocknen und Mahlen des Badsteins zuständig. Bevor der Stein gemahlen werden kann, wird er grob geschredde­rt.
 ?? Fotos: Gertrud Adlassnig ?? Physiother­apeut Bernd Jürgen Nowak zeigt, wie ein Badsteinwi­ckel aus dem bereits gerührten Badstein hergestell­t wird.
Fotos: Gertrud Adlassnig Physiother­apeut Bernd Jürgen Nowak zeigt, wie ein Badsteinwi­ckel aus dem bereits gerührten Badstein hergestell­t wird.
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Für schmerzend­e Hände ist das Kneten des warmen Schlamms wohltuend und heilend.

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