„Amerika zuerst“gilt in Europa nicht
Trump hat nur seine Anhänger im Blick. Aber der Kraftmeier braucht Grenzen
Viele wollten es nicht wahrhaben, doch jetzt hat es Donald Trump selbst bestätigt: Es läuft anders, wenn ein Populist regiert. Der seit gut vier Monaten amtierende US-Präsident hat auf seiner ersten Auslandsreise fragwürdige Deals abgeschlossen und ansonsten wenig erreicht: Dem streng muslimischen Königshaus der Saudis verkaufte er Waffen im großen Stil; in Israel und Palästina sprach er über einen Nahostfrieden, von dem nichts zu spüren ist; und die alten Verbündeten der USA, die Europäer, stieß er heftig vor den Kopf. Für Trump war es dennoch ein „großartiger“, ein „erfolgreicher“Trip. Ihm, der alles Handeln als Präsident unter die Maxime „America first“(Amerika zuerst) stellt, ist nur wichtig, dass seine Klientel zu Hause zufrieden ist.
Ein demokratisch gewählter Politiker sollte, ja muss sich seinem Volk verantwortlich fühlen. Er muss, wie es im Amtseid für die höchsten Repräsentanten der Bundesrepublik sehr anschaulich heißt, seine Kraft dem „Wohle des Volkes widmen“, dessen „Nutzen mehren“und „Schaden von ihm wenden“. Ein solcher Auftrag bedeutet jedoch nicht, die Interessen des eigenen Volkes rücksichtslos gegenüber anderen zu vertreten. Alleine schon, weil zu viel Egoismus in der Politik dem Volk langfristig mehr schaden als nützen kann.
Populisten wie Trump haben aber ihre eigenen Maßstäbe. Obwohl das lateinische Wort für Volk (populus) im Namen steckt, sind Populisten auf Spaltung aus. Sie leben davon, einen Teil der Bevölkerung gegen den anderen aufzubringen. Deswegen stört es Trump auch nicht, wenn jetzt das liberale und bildungsbürgerliche Amerika angesichts der Bilanz seiner Weltreise die Hände über dem Kopf zusammenschlägt – Hauptsache, die eigenen Anhänger bleiben überzeugt, dass der Präsident Jobs mit nach Hause bringt und Amerika in der Welt wieder Stärke zeigt.
In Wahrheit hat Trump mit seiner Kraftmeierei beim Brüsseler Nato-Gipfel und mit seiner Blockadehaltung beim G7-Treffen auf Sizilien die Stellung der USA in der internationalen Politik massiv geschwächt. Das mag angesichts der wirtschaftlichen und militärischen Stärke der einzigen Supermacht nicht sofort zu Verwerfungen in den USA führen. Aber Trump ist dabei, Amerikas Einfluss als westliche Führungsmacht zu verspielen. Dieser Präsident wird international nicht mehr ernst genommen.
Für die Europäer kann das sogar heilsam sein. Bundeskanzlerin Merkel, bisher eine treue Verfechterin der US-Führungsrolle, hat die Zeichen erkannt und die Europäer aufgerufen, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen. Da gilt es zunächst vor der eigenen Haustüre zu kehren. Auch Deutschland muss seine Rolle überdenken – nicht Bevormundung ist gefragt, sondern Partnerschaft. In der EU ist bisher zu viel liegen geblieben, was längst hätte gelöst werden müssen. Euro-Schuldenkrise, Flüchtlingskrise und – als größter Skandal – die exorbitant hohe Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa werden bis dato viel zu wenig als gemeinsame Probleme erkannt und bekämpft. Zudem gilt es, eigene Sicherheitsstrukturen aufzubauen. Und: Europa muss die Konflikte mit seinen Nachbarn friedlich lösen – auch mit Russland.
Ein Europa, das sich seiner Stärke bewusst ist, braucht nicht in Antiamerikanismus zu verfallen. Die USA sind mehr als Trump. Bekanntlich hat der Populist bei der Wahl weniger Stimmen als Hillary Clinton erhalten. Europa und die USA sind durch gemeinsame Werte verbunden. Die USA sind der engste Partner Europas – um eine Formulierung von Barack Obama umzudrehen. Trotz des derzeit dort herrschenden Populismus.
Es bringt nichts, die Hände in den Schoß zu legen und Trumps politisches Ende abzuwarten. Dazu kann es zwar noch vor Ablauf von dessen Amtszeit kommen. Aber Europa sollte sich darauf einstellen, mit dem populistischen US-Präsidenten zu leben. Das heißt nicht, dessen Agenda zu übernehmen. Die Europäer haben vielmehr das Recht und die Pflicht, ihre eigenen Interessen zu formulieren.