Da kann nur noch ein Wunder helfen
Paartherapie ist harte Arbeit – zu sehen in der Komödie „Die Wunderübung“von Daniel Glattauer im Neuen Theater Burgau
Für zwei, die sich eigentlich nichts mehr zu sagen haben, werfen sich Joana und Valentin ganz schön viel an den Kopf. Die beiden beschimpfen und beschuldigen sich derart gekonnt, wie es nur auf Grundlage einer langjährigen, guten Beziehung geht. „Sie haben eine ausgesprochen große Streitkultur auf hohem Niveau“, bescheinigt ihnen sogar ihr Therapeut, der zwischendurch auch mal einen Ringkampf verhindern muss. Würden im echten Leben bei einem Paar so die Fetzen fliegen wie auf der Bühne des Neuen Theaters zwischen Marion Wessely und Wolfgang Eichelmann – man mag sich das gar nicht vorstellen.
Daniel Glattauer hat genau das aber zum Glück getan – und eine herrlich streitlustige, menschliche Komödie geschrieben, die noch bis Juli in Burgau zu sehen ist. Der Bestseller-Autor von „Gut gegen Nordwind“verfasste mit „Die Wunderübung“sein erstes reines Theaterstück – und nutzte dafür ei- Erfahrungen. Denn der österreichische Schriftsteller hat selbst eine Ausbildung zum psychosozialen Berater absolviert. Kein Wunder, dass der ein oder andere Paartherapie-Erfahrene im Publikum jene Übungen als realistisch erkannte, mit denen der Therapeut (Olaf Ude) auf der Bühne versucht, dem im Streiten großartigen, im Zusammensein aber katastrophalen Ehepaar zu helfen.
Wobei eigentlich? Joana und Valentin wissen es doch selbst nicht so genau, was die Therapie eigentlich bringen soll. Joana ringt sich schließlich dazu durch, „Schritte in die richtige Richtung“zu suchen, Valentin will eigentlich nur eins: Frieden. Wirklich? Eigentlich streiten sie doch einfach viel zu gern und zu gut.
Regisseurin Vera Hupfauer lässt die bestens aufgelegten Streithanseln, als die sich Marion Wessely und Wolfgang Eichelmann getrieben von einer unglaublich großen Energie präsentieren, richtig austoben. Im knallroten Bühnenbild, das die unbequeme Aufrichtigkeit auf den rot bezogenen Stühlen dem nicht großartig bequemeren Sitzsack gegenüberstellt, aus dem sich alle drei im Laufe des Stücks mehr oder weniger erfolgreich herausarbeiten müssen.
Denn darum geht es ja doch hier, um das Arbeiten im gemeinsamen Problem, oder? „Wir haben zurzeit nicht unsere beste Phase“, bringt es Valentin in der Untertreibung des Jahrhunderts auf den Punkt. Aber wie wird es besser? Diese Therapiestunde ist für die Beteiligten kein Wellnessprogramm, so viel steht fest – auch nicht für den Therapeuten, den Olaf Ude von guruhafter Gelassenheit über schiere Verzweiflung in den eigenen Beziehungsabgrund stürzen lässt – um am überraschenden Ende noch einmal ganz andere Saiten aufzuziehen.
An diesem Ende ist es dann nämlich nicht die Erinnerung an gemeinsame Tauchgänge oder der Gedanke an die Anfänge der Beziehung, welche Joana und Valentin wieder vereint – sondern eben jene titelgebende Wunderübung, deren Beschaffenheit an dieser Stelle nagene türlich nicht verraten sei. Der Leser möge sie sich therapeutisch in einer der nächsten Aufführungen im Neuen Theater erarbeiten und genauso viel Spaß dabei haben wie das Premierenpublikum, das dem Darstellertrio und seiner Regisseurin stehende Ovationen spendete.
Diese machten auch ein wenig wieder wett, dass der Saal zur Premiere nicht recht voll geworden war. Es mag am sommerlich-warmen Wetter, am gleichzeitig stattfindenden DFB-Pokalfinale im Fernsehen oder der starken Konkurrenz zur gleichen Zeit in der Kapuziner-Halle gelegen haben. Wichtig ist: „Die Wunderübung“wird noch weitere neun Mal praktiziert – und kann übrigens auch ohne Verschreibung genossen werden.