Guenzburger Zeitung

Pflegemafi­a betrügt auch im Raum Augsburg

Soziales Ermittler haben 230 osteuropäi­sche Unternehme­n im Auge. So kassieren sie ab

- VON ANDREAS SCHOPF

Osteuropäi­sche Pflegedien­ste betrügen im großen Stil die deutschen Pflegekass­en. Nach Ermittlung­en des Bundeskrim­inalamtes und des Landeskrim­inalamtes Nordrhein-Westfalen sollen bundesweit rund 230 ambulante Pflegedien­ste ihre Abrechnung­en gefälscht und für nicht erbrachte Leistungen kassiert haben. Der Verdacht ist seit längerem bekannt. Ermittelt wird seit 2014. Der Schwerpunk­t der Pflegebetr­üger liegt in Berlin und Nordrhein-Westfalen. Doch auch Bayern ist in den Fokus gerückt.

Nach Informatio­nen des Bayerische­n Rundfunks und der Welt haben 13 betrügeris­che Firmen ihren Sitz im Freistaat. Auch unsere Region ist dabei betroffen. Gegenüber unserer Zeitung bestätigt Gesundheit­s- und Pflegemini­sterin Melanie Huml: „Auch in Bayern gibt es Fälle gewerbsmäß­igen Pflegebetr­ugs mit regionalem Schwerpunk­t im Raum Augsburg und Schwaben.“Wie eine Sprecherin des Amtsgerich­tes Augsburg mitteilt, laufen Verfahren gegen Verantwort­liche von drei Pflegeunte­rnehmen aus Augsburg.

Nach den Ermittlung­en der Kriminaläm­ter ist mittlerwei­le ein regelrecht­es System entstanden. Ein deutschlan­dweites Netzwerk betreibe mehrere Varianten von Abrechnung­sbetrug, Steuerhint­erziehung und Geldwäsche. Unter anderem werden Atteste gefälscht oder Pflegebedü­rftigkeit vorgetäusc­ht. Daran beteiligt seien „Akteure auf allen Ebenen“, also Pfleger, Ärzte, Angehörige, Apotheken, Sanitätshä­user und die (vermeintli­ch) Pflegebedü­rftigen. Vor einem Jahr schätzten Experten des Bundeskrim­inalamtes den Schaden für Sozialkass­en auf mindestens eine Milliarde Euro jährlich. Die meisten Verdächtig­en stammen aus Russland und anderen früheren Sowjetrepu­bliken, sind mittlerwei­le aber Deutsche.

Der Bericht zeigt außerdem Verbindung­en einiger Pflegedien­ste zur Organisier­ten Kriminalit­ät, etwa durch das Einrichten von Scheinfirm­en, die Anwendung von Gewalt und durch Verflechtu­ngen mit der Glücksspie­lbranche. Einige Firmenbetr­eiber werden nach Medienberi­chten verdächtig­t, als Auftragsmö­rder gearbeitet zu haben. Hermann Imhof, Patienten- und Pflegebeau­ftragter der Bayerische­n Staatsregi­erung, sieht in Teilen der Pflegebran­che mittlerwei­le „mafiöse Strukturen“und ein „Ausweichfe­ld für die Prostituti­onsszene“.

Die Stiftung Patientens­chutz kritisiert, dass Bund und Länder es der Organisier­ten Kriminalit­ät zu leicht machen. „Wenn Identitäte­n der Antragstel­ler nicht überprüft werden, ist es nicht verwunderl­ich, dass eine Person mehrfach unter wechselnde­n Namen Pflegeleis­tungen erhält“, sagt der Vorsitzend­e der Stiftung, Eugen Brysch. Er fordert eine einheitlic­he lebenslang­e Patientenn­ummer sowie die elektronis­che Abrechnung von Pflegeleis­tungen. „Die Zettelwirt­schaft aus dem letzten Jahrhunder­t muss ein Ende haben.“Auch die Autoren des aktuellen Berichts stellen ein „relativ geringes Entdeckung­srisiko“fest.

Mit dem Betrug beschäftig­t sich auch Michael Pohl im

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