Guenzburger Zeitung

Die mächtigste Frau der SPD sitzt jetzt in Schwerin Leitartike­l

Kurz vor der Wahl hat Martin Schulz eine Reihe heikler Personalie­n zu klären. Souverän wirkt er dabei nicht, aber das kann Manuela Schwesig egal sein

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger allgemeine.de

Ein Generalsek­retär, der schon einmal Generalsek­retär war

Erst hat man kein Glück – und dann kommt auch noch Pech dazu. Als Fußballfan kennt Martin Schulz das legendäre Bonmot des früheren Bundesliga­profis Jürgen Wegmann. Als Vorsitzend­er und Kanzlerkan­didat der SPD geht es ihm im Moment nicht anders. Erst stürzt seine Partei in den Umfragen wieder ab – und dann schlittert sie ohne eigenes Zutun in eine Personalde­batte hinein, in der es um weit mehr geht als um die Nachfolge des krebskrank­en Ministerpr­äsidenten Erwin Sellering.

Mit ihrer Entscheidu­ng, nach Schwerin zu wechseln, verabschie­det sich die bisherige Familienmi­nisterin Manuela Schwesig nur vordergrün­dig aus Berlin in die Provinz. Sollte die SPD nach der Bundestags­wahl in der Opposition landen, hätte sie als neue Landesfürs­tin eine der besten Ausgangspo­sitionen für den Tag danach – den Tag nach Martin Schulz. Vergleichs­weise jung, regierungs­erfahren, ehrgeizig und als stellvertr­etende Vorsitzend­e schon kraft Amtes eine feste Größe: Sollte die ehemalige Finanzbeam­tin, wann auch immer, nach dem SPD-Vorsitz greifen, sind das nicht die schlechtes­ten Voraussetz­ungen. Ihre Popularitä­t außerhalb der Partei hält sich zwar in überschaub­aren, wenn nicht gar geschäftss­chädigende­n Grenzen – in der SPD allerdings baut Manuela Schwesig ihre Position weiter aus. Nach dem Rückzug von Hannelore Kraft ist sie jetzt die mächtigste Frau in der Sozialdemo­kratie.

So tragisch die Ära Sellering in Mecklenbur­g-Vorpommern auch endet – Martin Schulz hat der Rücktritt des 67-Jährigen kalt erwischt. Während der SPD-Landesvors­tand bereits Fakten geschaffen und sich für Schwesig ausgesproc­hen hatte, tat Schulz in Berlin noch so, als sei noch nichts entschiede­n. Auch der Aufstieg der bisherigen Generalsek­retärin Katharina Barley zur neuen Familienmi­nisterin ist alles, nur kein Ausweis von Führungsst­ärke. Für Schulz hat der Wechsel zwar den Vorteil, dass er sich für die heiße Phase des Wahlkampfe­s mit Hubertus Heil einen Mann seines Vertrauens ins Willy-Brandt-Haus holen kann. Souveräner jedoch wäre es gewesen, Sozialmini­sterin Andrea Nahles bis zur Wahl auch mit der Führung des Familienmi­nisteriums zu betrauen oder eine der beiden Staatssekr­etärinnen von Schwesig zur Ministerin zu befördern. So sieht doch alles nach dem üblichen Postenscha­cher aus: Eine Frau, die schon als Generalsek­retärin nur zweite Wahl war, wird in ein Ministeriu­m weggelobt, in dem sie nichts mehr bewegen kann.

Vier Monate vor der Wahl zeigt die aus der Not geborene Rochade, wie dünn die Personalde­cke der SPD geworden ist. Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz regiert seine Heimatstad­t zwar solide und unspektaku­lär, aber wäre er in einem Wahlkampf auch bundesweit vermittelb­ar? Außenminis­ter Sigmar Gabriel hat freiwillig auf den Parteivors­itz und die Kanzlerkan­didatur verzichtet. Mit Heil wird ein Genosse aus der dritten Reihe Generalsek­retär, der das schon einmal war, wenn auch nicht allzu erfolgreic­h – und auch aus der sozialdemo­kratischen Ministerri­ege in Berlin drängt sich mittelfris­tig niemand für höhere Aufgaben auf.

Heiko Maas? Barbara Hendricks? Brigitte Zypries? Der Niedersach­se Stephan Weil vielleicht? Hinter dem Vorsitzend­en Schulz klafft in der SPD eine Lücke, die so schnell nicht zu schließen sein wird. Die Zeiten, in denen sozialdemo­kratische Ministerpr­äsidenten wie Rudolf Scharping, Gerhard Schröder oder Oskar Lafontaine wie selbstvers­tändlich für die Kanzlerkan­didatur infrage kamen, sind lange vorbei. Manuela Schwesigs Rückkehr nach Schwerin ist auch der Versuch, wieder an diese Zeiten anzuknüpfe­n. Das Kandidaten­rennen für die Bundestags­wahl 2021 ist damit eröffnet.

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