Guenzburger Zeitung

Eine nette Genossin fällt nach oben Porträt

Katarina Barley machte als SPD-Generalsek­retärin zuletzt eine unglücklic­he Figur. Doch sie wird nicht entlassen – sondern Familienmi­nisterin

- Foto: dpa

In der SPD galt sie schon als die voraussich­tlich nächste Gescheiter­te, jetzt steigt sie zumindest für knapp vier Monate sogar noch zur Ministerin auf: Katarina Barley, bisher Generalsek­retärin, übernimmt das Familienre­ssort von Manuela Schwesig. Die wird Ministerpr­äsidentin von Mecklenbur­g-Vorpommern, weil sich der bisherige Landesvate­r Erwin Sellering wegen einer schweren Krebserkra­nkung aus der Politik zurückzieh­en muss.

Dass das Personalka­russell sich ausgerechn­et dreht, weil ein Parteifreu­nd einen Schicksals­schlag erleidet, mag gerade Katarina Barley nicht ungerührt lassen. Gäbe es eine Wahl zur nettesten Genossin, die stets empathisch und zugewandt wirkende 48-Jährige würde sie wohl gewinnen. Und genau das war zuletzt ihr Problem. Der Generalsek­retär soll nicht das freundlich­e Gesicht der Partei sein, sondern das angriffslu­stige. Der Generalsek­retär ist für die Organisati­on des Bundestags­wahlkampfs verantwort­lich, und der läuft bei der SPD gerade alles andere als glänzend. Barley stand deshalb zunehmend in der Kritik. Die drei verlorenen Landtagswa­hlen gehen nach Meinung vieler Genossen eben auch auf das Konto der gebürtigen Kölnerin. Ihr fehle es an Durchsetzu­ngsvermöge­n, Instinkt und Wahlkampfe­rfahrung.

Die Tochter eines britischen Redakteurs und einer deutschen Ärztin ist eine politische Spätzünder­in. Erst mit 26 trat sie der SPD bei, da hatte sie ihr Jurastudiu­m bereits abgeschlos­sen, später war sie unter anderem Anwältin für Medizinrec­ht und wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin am Bundesverf­assungsger­icht. Auf eine klassische innerparte­iliche Ochsentour, die bei den Jusos begann, kann sie jedenfalls nicht verweisen. Auch im Bundestag sitzt sie erst seit 2013. Schon zwei Jahre später schaffte sie es in ein Schlüssela­mt der Partei. Als „Siggis Neue“folgte sie dem Ruf des damaligen Parteichef­s Gabriel und beerbte die glücklose Yasmin Fahimi als Generalsek­retärin. Im komplizier­ten Gefüge des Willy-BrandtHaus­es, wo Loyalitäte­n zu den Spitzenpol­itikern eine große Rolle spielen, konnte sie sich nie die nötige Machtbasis sichern. Mit Martin Schulz, so heißt es, wurde sie nie so richtig warm. So wirkte sie massiv angeschlag­en, wenn es darum ging, die jüngsten SPD-Wahlnieder­lagen zu erklären.

Hektisch versuchte Barley, ein Wahlprogra­mm auf den Weg zu bringen, doch der Parteivors­tand drohte sich in Detailfrag­en zu verlieren. Im Brandt-Haus schien das Chaos ausgebroch­en und Barley steckte mittendrin. Zuletzt rechneten viele damit, dass die „Co-Trainerin der SPD“, wie sie ihre Rolle umschrieb, bald den Hut würde nehmen müssen. Doch nun kommt es anders. Als Familienmi­nisterin wird die geschieden­e Mutter zweier Söhne zwar keine Akzente mehr setzen. Doch so sehr sie als Generalin eine Fehlbesetz­ung gewesen sei, so sehr passe die vielleicht netteste Genossin zum neuen Amt, heißt es in der SPD. Bernhard Junginger

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