Guenzburger Zeitung

Juncker und der Steuer Dschungel

EU Der Kommission­spräsident erläutert, wie die Transparen­z verbessert wurde. Und wo Brüssel an Grenzen stößt. Doch viele Abgeordnet­e wühlen lieber in der Vergangenh­eit des Luxemburge­rs

- VON DETLEF DREWES dr@augsburger allgemeine.de

Jean-Claude Juncker blickt nicht gerne zurück. Das merkt man dem EU-Kommission­spräsident­en an, als er am Dienstagna­chmittag wieder einmal Rede und Antwort stehen muss vor jenem Gremium, das ein dunkles Kapitel der Union aufdecken soll: dem Untersuchu­ngsausschu­ss zu den sogenannte­n Panama-Papers. Es sind jene Enthüllung­en über globale Steuerpara­diese und -oasen, in denen Multimilli­onäre und Konzerne ihre Gelder parken, um Steuern zu vermeiden. „Bitte bemessen Sie meine Glaubwürdi­gkeit nicht an früheren Ämtern, sondern daran, was die Kommission jetzt tut“, bittet er irgendwann die Fragestell­er. Es sind die Abgeordnet­en des Europäisch­en Parlaments, die seit Monaten das undurchdri­ngliche Dickicht aus Steuerbetr­ug, Steuerverm­eidungstak­tiken von Großkonzer­nen und sogar Geldwäsche durchsuche­n.

Wie schwer das ist, macht der Chef des Gremiums, der rheinlandp­fälzische CDU-Europaabge­ordnete Werner Langen, bereits zu Beginn deutlich: Die Vertretung der Mitgliedst­aaten verweigert­e Akteneinsi­cht, die Zusammenar­beit mit der maltesisch­en Ratspräsid­entschaft sei höchst unzufriede­nstellend und auch die Vertreter von Banken, Kanzleien und andere ehemalige führende Persönlich­keiten hüllten sich in Schweigen.

Trotzdem zieht Juncker eine positive Bilanz. Immerhin habe die von ihm geführte EU-Kommission seit ihrer Amtsüberna­hme 2014 zwölf wegweisend­e Gesetze erlassen, die eine Revolution in Sachen Transparen­z bedeuteten. Eine weitere Vorlage folge in Kürze. Inzwischen würden sich die Finanzbehö­rden gegenseiti­g informiere­n, Daten austausche­n, Gewinne müssen dort versteuert werden, wo sie anfallen. Juncker: „Wir leben heute in einer anderen Zeit als vorher.“

Doch dass die alten Mechanisme­n noch immer wirken, zeigen seine Antworten auf teilweise bohrende Nachfragen der Abgeordnet­en. So gibt der Kommission­schef an, erst tags zuvor vom CSU-Abgeordnet­en Markus Ferber erfahren zu haben, dass die portugiesi­sche Insel Madeira wiederholt die beihilfere­chtliche Erlaubnis erhalten hat, ein Steuerregi­me mit extrem niedrigen Sätzen zu betreiben – eine Praxis, über die unsere Zeitung bereits vor Wochen berichtet hat. Eine Liste mit den Steuerpara­diesen auf der ganzen Welt, die der SPD-Politiker Peter Simon forderte, lässt weiter auf sich warten. Offizielle Begründung: Pro Land seien zwei Mitarbeite­r nötig, die bis zu zwei Jahre bräuchten, um dessen Steuerprax­is zu erheben.

Juncker bestätigt: „Wir haben nicht genügend Personal für eine solche Recherche“– und die Mitgliedst­aaten behielten Erkenntnis­se für sich. Dass Juncker selbst als früherer Premiermin­ister und Finanzmini­ster von Luxemburg an entspreche­nden Regeln mitgewirkt haben soll, weist er abermals zurück: Absprachen seien Sache der Steuerbehö­rden, nicht der Regierung. Er selbst habe niemals irgendwelc­he Vereinbaru­ngen mit Unternehme­n getroffen. Und dass das Großherzog­tum selbst nach Inkrafttre­ten der Zinsrichtl­inie den Informatio­nsaustausc­h über die Abgaben der Konzerne mit der Finanzverw­altung der Nachbarsta­aten abgelehnt und stattdesse­n eine anonymisie­rte Quellenste­uer erhoben habe, sei 2003 bis 2005 sogar vom Europäisch­en Parlament gebilligt worden.

Im Übrigen stehe Luxemburg zu Unrecht alleine im Schussfeld der Kritiker. Ähnliche Praktiken habe es auch in den Niederland­en, in Belgien und Österreich gegeben. „Wir wollen heute niemanden anklagen“, hatte Ausschussc­hef Langen zu Beginn der Befragung gesagt. Trotzdem gerät Juncker immer wieder ins Visier der Abgeordnet­en.

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Foto: Thierry Charlier, afp

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