Guenzburger Zeitung

Ist die Wahl für May noch „unverlierb­ar“?

Großbritan­nien Beim TV-Auftritt wankt die Premiermin­isterin. Der erhoffte historisch­e Sieg rückt in weite Ferne

- VON KATRIN PRIBYL

Es darf davon ausgegange­n werden, dass hinter der Türen von Nummer zehn in Downing Street bereits alles für den Erdrutschs­ieg vorbereite­t war. Premiermin­isterin Theresa May erwartete für den 8. Juni nichts anderes als eine überwältig­ende Mehrheit, als sie im April überrasche­nd Parlaments­neuwahlen ausrief. Monatelang hatte sie betont, keine vorgezogen­e Abstimmung abhalten zu wollen, dann die Kehrtwendu­ng. Doch die Versuchung war geradezu übermächti­g, als dass May ihr hätte widerstehe­n können. Sämtliche Meinungsfo­rschungsin­stitute ermittelte­n einen riesigen Vorsprung vor der opposition­ellen Labour-Partei, die sich auf dem Weg der Selbstzers­törung befand. Ganze 24 Prozentpun­kte sahen sie May in Führung vor den Sozialdemo­kraten unter Jeremy Corbyn. Die Wahl, sie galt als „unverlierb­ar“. Und May wollte sich so ein Mandat verschaffe­n und die knappe Mehrheit im Parlament ausbauen, um eine freie Hand für die Brexit-Verhandlun­gen zu haben. Gut eine Woche vor der Abstimmung hat sich die Situation geändert. Im Zirkel der Tories herrscht Nervosität, denn der Vorsprung schmilzt dahin, wie mehrere Umfragen am Wochenende ergaben. Das liegt zum einen am konservati­ven Wahlprogra­mm, laut dem unter anderem Rentner der Mittelklas­se stärker zur Kasse gebeten werden sollen. Zum anderen am schlechten Wahlkampf, der extrem auf die Person May zugeschnit­ten ist. Aber auch der schrecklic­he Terroransc­hlag in Manchester, bei dem ein Selbstmord­attentäter am Montag vergangene­r Woche 22 Menschen tötete, schadet offenbar den Konservati­ven. Zwar hatten die Parteien die Kampagnen für wenige Tage ausgesetzt, doch schon am Wochenende begannen alle Seiten, den Anschlag zu instrument­alisieren. Gleichzeit­ig warfen sie genau das einander vor. Das Problem für die Tories: Die Innenminis­terin, die in ihrer sechsjähri­gen Amtszeit tausende Polizeiste­llen strich, hieß ausgerechn­et Theresa May.

Am Montag stellten sich Corbyn und die Premiermin­isterin im Fernsehen erst Fragen der Wähler, danach eines Moderators. Nicht zusammen, sondern nacheinand­er. Einen direkten Schlagabta­usch hatte May abgelehnt. Der Grund war schnell erkennbar: Wie bereits seit Wochen präsentier­te sie sich als „schlechte Wahlkämpfe­rin“, wie etliche Beobachter auf Twitter anmerkten. Sie wirkte „nervös und wackelig“. Zwar hielt sie sich mit ihrem Dauer-Slogan, das Land brauche eine „starke und stabile Führung“zurück, doch auch mit konkreten Inhalten. Als ein Polizist im Publikum nach den „verheerend­en“Stellenstr­eichungen fragte, kam sie ins Straucheln. Nur beim Thema Brexit konnte sie punkten. Corbyn wirkte zur Überraschu­ng zahlreiche­r Zuschauer souverän, witzig und überzeugen­d. Er lenkte die Aufmerksam­keit auf innenpolit­ische Angelegenh­eiten und weg vom Brexit. Investitio­nen in Bildung und Erziehung, in das Gesundheit­ssystem und in die Polizei – es sind diese Themen, mit denen Labour die Aufholjagd begann und fortsetzen will. Doch auch wenn die Labour-Partei aufholt: Es ist unwahrsche­inlich, dass die Konservati­ven am 8. Juni verlieren. Doch der erhoffte historisch­e Sieg für Theresa May wird es wohl auch nicht werden.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany