Guenzburger Zeitung

Der Spion an der Supermarkt Kasse

Handel In einigen Real-Filialen analysiert eine Software die Gesichter der Kunden – ohne dass sie es mitbekomme­n. Warum die Daten der Verbrauche­r am Ende in Augsburg landen

- VON SARAH SCHIERACK

Wer an der Supermarkt­kasse steht, lässt seinen Blick oft schweifen. Mal bleibt er dabei an den Schokorieg­eln hängen, ein anderes Mal an der bunten Kaugummi-Auswahl. Was die Kunden bisher allerdings nicht wussten: Ihre Blicke bleiben nicht unbeobacht­et. Zumindest nicht in insgesamt 40 Märkten der Supermarkt-Kette Real. Wie das Branchenbl­att Lebensmitt­el Zeitung berichtet, hängen in diesen Filialen Kameras, die mithilfe spezieller Software auslesen, wer sich die Werbung anschaut, die auf Bildschirm­en vor den Kassen läuft. Die Kunden bekommen davon in der Regel nichts mit.

Die Bildschirm­e sind an das Augsburger Unternehme­n Echion vermietet, das sie mit Werbung bespielt und die Daten ausliest. Michael Kimmich ist Chef der Firma, die sonst vor allem auf die Beschallun­g von Supermärkt­en und Kaufhäuser­n spezialisi­ert ist. Wenn er über die Technik hinter der Software redet, dann spricht er nicht von einer Kamera, die den Kunden aufnimmt, sondern von einem „optischen Auge“. Das Gerät registrier­t nach seinen Worten nur das Geschlecht und das geschätzte Alter des Betrachter­s sowie die Zahl der Blickkonta­kte mit dem Bildschirm. „Es wird nichts gefilmt und nichts dauerhaft gespeicher­t“, betont Kimmich. Das Bild des Kunden werde lediglich für etwa 150 Millisekun­den zwischenge­speichert – solange, wie die Software benötigt, um die Daten auszulesen.

Was das Unternehme­n viel mehr interessie­rt als ein Foto, ist ein Profil des Supermarkt-Besuchers. Wie alt ist er? Handelt es sich um eine Frau oder einen Mann? Wie oft schaut er sich die Werbung vor der Kasse an? So könnten den Kunden in der Zukunft Spots gezeigt werden, die besser auf sie zugeschnit­ten sind, erläutert Kimmich. Stehen also mehr Frauen vor dem Bildschirm, läuft zum Beispiel eine Werbung für Kosmetikpr­odukte. Sind die Männer in der Überzahl, zeigt der Screen dann Werbung für Rasierer. Genau zu wissen, wie viele Menschen eine Werbung beachten – das, sagt Kimmich, war in der Offline-Welt bisher nicht möglich. Er glaubt, dass die Technik bald in allen 285 RealFilial­en zum Einsatz kommen wird.

Experten gehen davon aus, dass zielgruppe­ngerechte Werbung auch abseits des Internets immer mehr an Bedeutung gewinnen wird. „Künstliche emotionale Intelligen­z wird bald auf breiter Fläche Einzug in den Alltag halten“, sagte der Passauer Informatik­professor Björn Schuller gegenüber der Lebensmitt­el Zeitung. „Ich bin mir sicher, dass wir Werbeplatz­ierungen und Bestellvor­schläge angepasst an unsere Stimmung bekommen werden.“

Datenschüt­zer sehen diese Entwicklun­g mit Sorge. Real gibt zwar an, die Kunden zu informiere­n, dass der Markt videoüberw­acht ist. Dem Präsidente­n des bayerische­n Landesamts für Datenschut­zaufsicht, Thomas Kranig, ist das nicht genug. Er ist der Meinung, dass die Supermarkt-Besucher eigens darauf hingewiese­n werden müssten, dass ein Gerät ihr Gesicht analysiert. Auch, wenn die Daten – wie Echion-Chef Kimmich argumentie­rt – nicht personenbe­zogen erhoben werden.

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Foto: R. Vennenbern­d dpa

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