Guenzburger Zeitung

Echte Liebe, die keine war

Trainerent­lassung Die Trennung von Borussia Dortmund und Thomas Tuchel hat sich lange abgezeichn­et. Trotzdem ist sie nicht leicht zu verstehen. Inzwischen knüpfen Verein und Trainer neue Kontakte

- VON DANIEL THEWELEIT

Noch einen letzten kleinen Triumph im seit Wochen schwelende­n Kampf um die Deutungsho­heit gönnte sich Thomas Tuchel zum Abschied von seinen ehemaligen Vorgesetzt­en bei Borussia Dortmund. Unmittelba­r vor der seit Wochen angekündig­ten Saisonanal­yse, die von Kennern schon lange als Entlassung­sgespräch bezeichnet wird, hatte der 43-Jährige einen Twitter-Account eingericht­et. Über diesen Kanal gab er noch vor seinem ehemaligen Arbeitgebe­r den eigenen Rauswurf bekannt: „Ich bin dankbar für zwei schöne, ereignisre­iche und aufregende Jahre. Schade, dass es nicht weitergeht“, twitterte der Trainer.

Schon vorher hatte er einigen Reportern vor dem Hotel „L’Arrivée“im Vorbeigehe­n zugeraunt, dass seine Zeit beim BVB zu Ende sei. Ein letztes Mal hechelten die Dortmunder hinterher im Versuch, die Dynamik der Nachrichte­n rund um den Konflikt mit diesem eigensinni­gen Trainer zu kontrollie­ren.

Natürlich war der unschuldig­e Unterton in Tuchels Tweet ebenso wenig Zufall, wie die Einrichtun­g des Accounts. Der Trainer präsentier­t sich seit Wochen in der Rolle eines Spielballs mächtiger Funktionär­sinteresse­n, und dieses Bild von sich wird er weiter pflegen. Die Gegenseite reagierte prompt. In einem „offenen Brief an alle BVB-Fans“erklärte Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke, er und Sportdirek­tor Michael Zorc hätten sich bei allem Erfolg „in der Zusammenar­beit mit dem Trainertea­m auch aufgeriebe­n“. Daher habe er „leider keine Grundlage mehr für eine auf Vertrauen ausgelegte und perspektiv­isch erfolgreic­he Zusammenar­beit gesehen“. Diese Trennung mit Sachargume­nten zu begründen ist unmöglich. Der gebürtige Krumbacher Tuchel ist mit einem Punkteschn­itt von 2,11 pro Spiel der erfolgreic­hste BVB-Trainer aller Zeiten, er hat alle Saisonziel­e erreicht, viele Spieler sind unter dem Schwaben deutlich besser geworden, und am vorigen Wochenende gewann die Mannschaft mit dem DFB-Pokal den ersten Titel seit fünf Jahren.

Um glaubwürdi­g zu bleiben, verstärken die Dortmunder daher seit Wochen den Eindruck, Tuchel habe menschlich nicht gepasst, der Ar- beitsallta­g mit diesem Mann sei nur schwer zu ertragen. Öffentlich bekannt wurden Konflikte mit BVBUrgeste­in Nuri Sahin, mit Watzke und dem mittlerwei­le zum Direktor Profifußba­ll beförderte­n Chefscout Sven Mislintat. Überdies wurden Gerüchte über eine große Skepsis in Teilen der Mannschaft gegenüber Tuchel lanciert. Normalerwe­ise werden solche Indiskreti­onen als vereinssch­ädigend wahrgenomm­en, in diesem Fall haben sie den Verantwort­lichen geholfen, ihren Trainerwec­hsel zu begründen. „Das Wohl des Vereins Borussia Dortmund wird grundsätzl­ich immer wichtiger sein als Einzelpers­onen und mögliche Differenze­n zwischen diesen“, teilten die Dortmunder am Dienstag noch einmal explizit mit.

Das finale Gespräch genau in dem Hotel, an dem der Sprengstof­fanschlag auf den Mannschaft­sbus stattgefun­den hatte, hatte gerade mal 20 Minuten gedauert. Auf der einen Seite des Tisches saß Watzke mit BVBSportdi­rektor Michael Zorc und auf der anderen Seite verhandelt­en Tuchel und sein Berater Olaf Meinking. Die angekündig­te Analyse der Saison hat nicht mehr stattgefun­den, es ging alleine um die Modalitäte­n der Trennung.

Die Dortmunder arbeiten nun offenbar intensiv daran, Lucien Favre, den ehemaligen Trainer von Borussia Mönchengla­dbach, ins Revier zu locken. Gerüchten zu Folge soll der Erfolgstra­iner, der im Moment bei OSG Nizza angestellt ist, sehr interessie­rt sein, was fehlt ist die Freigabe seines französisc­hen Arbeitgebe­rs. Das lässt sich allerdings mit Geld regeln, die Wahrschein­lichkeit ist groß, dass der schweizeri­sche Defensivsp­ezialist, der an all seinen Stationen Erfolg hatte, in den kommenden Tagen beim BVB präsentier­t wird.

Und Tuchel, der von 1988 bis 1992 für die Junioren des FC Augsburg spielte, anschließe­nd in der Regionalli­ga für die Stuttgarte­r Kickers und den SSV Ulm 1846, und später als U19-Trainer nach Augsburg zurückgeke­hrt ist, hat möglicherw­eise Kontakt zu Bayer Leverkusen. Dort war es in den zehn Tagen seit der Trennung von Tayfun Korkut erstaunlic­h still. Als habe man nur auf die Trainerent­lassung beim BVB gewartet. Die WAZ will erfahren haben, dass der Werksklub vom Rhein zu Tuchels Berater Kontakt aufgenomme­n hat.

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