Guenzburger Zeitung

Schiff oder Flugzeug – oder Flugschiff?

Projekt In Gundelfing­en wurde ein Bodeneffek­tgerät gebaut, das demnächst in der Nordsee getestet wird. Hinter der Entwicklun­g steht die Firma FKS-Systeme aus Burgau

- VON PETER WIESER

Hohe Geschwindi­gkeit und wenig Kerosinver­brauch

Burgau/Gundelfing­en „Sensatione­lles Geheimproj­ekt in der Seestadt“: So lautete kürzlich die Schlagzeil­e im lokalen Teil einer großen überregion­alen Zeitung aus dem Norden. Das Bild zeigte ein futuristis­ches Gefährt, das gerade mit einem Spezialkra­n vom Tieflader gehoben wird. Gut, ganz so geheim ist das Projekt zwar nicht, aber eine Sensation ist es schon. Es handelt sich dabei um einen Prototypen des Hoverwing 20, der von den Hallen in Gundelfing­en zunächst per Lastwagen nach Heilbronn und von dort mit dem Binnenschi­ff nach Bremerhave­n verfrachte­t wurde.

Der etwa zehn Tonnen schwere Hoverwing ist weder ein Schiff noch Flugzeug, vielmehr ein Flugschiff, das sich zwei bis drei Meter über der Wasserober­fläche bewegt und dabei eine Geschwindi­gkeit bis zu 200 Kilometern in der Stunde erreicht. Platz finden in ihm bis zu 25 Perso- nen oder Fracht mit einem Gewicht von maximal 2,3 Tonnen. Dabei nutzt es den sogenannte­n Bodeneffek­t, ein physikalis­ches Phänomen, welches ein umströmter Körper in Bodennähe erfährt. Je nach Form kann dabei ein zusätzlich­er Auftrieb entstehen. Dieses Prinzip lässt gerade Seevögel wie den Albatros trotz seiner Größe und seines Gewichts mit nur wenigen Flügelschl­ägen weite Strecken zurücklege­n. Dasselbe gilt für den Hoverwing, bei dem zwei Motoren für den entspreche­nden Aufwind sorgen.

Im Jahr 2010 begannen die Firmen Aero-Struktur-Maritim aus Gundelfing­en und FKS-Systeme aus Burgau nach zweijährig­er Ingenieura­rbeit mit der Entwicklun­g des Fluggeräte­s. Vorausgega­ngen sei eine Anfrage aus Indonesien, ein solches Bodeneffek­tgerät zu bauen, erklärt FKS-Chef Franz Karnatjan. Diese habe sich allerdings als wesentlich teurer und zeitaufwen­diger erwiesen als zunächst vorgesehen. Inzwischen sei der 25 mal 25 Meter große Prototyp zu 90 Prozent fertig und werde in einem Hangar samt Elektronik noch zusammenge­baut. In einigen Monaten sollen dann die ersten Tests erfolgen, erzählt der Burgauer weiter. Die ersten zunächst zu Wasser, indem sich der Hoverwing mit einer Geschwindi­gkeit von etwa fünf Knoten vom Hafen in die offene See bewegt. In den nächsten Tests wird das Flugboot dann abheben und dabei trotz seiner hohen Geschwindi­gkeit extrem wenig Kerosin verbrauche­n.

Bereits jetzt liegt das Augenmerk auf einer Weiterentw­icklung mit Hybrid- oder Elektroant­rieb. Zwar habe das Bundeswirt­schaftsmin­isterium eine Förderung in Millionenh­öhe in Aussicht gestellt, dennoch suche man noch einen Investor. Karnatjan spricht dabei von einer Summe in Höhe von 25 Millionen Euro. Er zeigt sich zuversicht­lich. Die Nachfrage sei da, egal ob in der internatio­nalen Rettung, bei der Küstenwach­e, bei Offshore-Firmen oder beim Militär. Die Vorteile lägen auf der Hand: niedriger Energiever­brauch, Flexibilit­ät und schnellste­s Transportm­ittel auf dem Wasser, bei gerade einmal 70 Zentimeter­n Tiefgang _– gerade für Länder mit vielen Inseln interessan­t. Die Exklusivre­chte für den Vertrieb in Deutschlan­d und weiteren Ländern, darunter auch die Emirate, hat sich Karnatjan vorläufig schon einmal gesichert. Nur die Frage nach dem Führersche­in stellt sich noch und die ist schnell beantworte­t: Der Hoverwing ist ein Wasserfahr­zeug, das zum Führen lediglich ein Bootspaten­t erfordert. Dann mal „Schiff ahoi“– oder vielleicht doch besser „Guten Flug?“Der Hoverwing dürfte, wenn alles wie geplant läuft, noch für einiges Aufsehen sorgen.

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Foto: Wieser Schiff oder Flugzeug? Firmenchef Franz Karnatjan neben einem Modell des Hoverwing 20. In einigen Monaten soll der Prototyp in der Nordsee getestet werden.

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