Schiff oder Flugzeug – oder Flugschiff?
Projekt In Gundelfingen wurde ein Bodeneffektgerät gebaut, das demnächst in der Nordsee getestet wird. Hinter der Entwicklung steht die Firma FKS-Systeme aus Burgau
Hohe Geschwindigkeit und wenig Kerosinverbrauch
Burgau/Gundelfingen „Sensationelles Geheimprojekt in der Seestadt“: So lautete kürzlich die Schlagzeile im lokalen Teil einer großen überregionalen Zeitung aus dem Norden. Das Bild zeigte ein futuristisches Gefährt, das gerade mit einem Spezialkran vom Tieflader gehoben wird. Gut, ganz so geheim ist das Projekt zwar nicht, aber eine Sensation ist es schon. Es handelt sich dabei um einen Prototypen des Hoverwing 20, der von den Hallen in Gundelfingen zunächst per Lastwagen nach Heilbronn und von dort mit dem Binnenschiff nach Bremerhaven verfrachtet wurde.
Der etwa zehn Tonnen schwere Hoverwing ist weder ein Schiff noch Flugzeug, vielmehr ein Flugschiff, das sich zwei bis drei Meter über der Wasseroberfläche bewegt und dabei eine Geschwindigkeit bis zu 200 Kilometern in der Stunde erreicht. Platz finden in ihm bis zu 25 Perso- nen oder Fracht mit einem Gewicht von maximal 2,3 Tonnen. Dabei nutzt es den sogenannten Bodeneffekt, ein physikalisches Phänomen, welches ein umströmter Körper in Bodennähe erfährt. Je nach Form kann dabei ein zusätzlicher Auftrieb entstehen. Dieses Prinzip lässt gerade Seevögel wie den Albatros trotz seiner Größe und seines Gewichts mit nur wenigen Flügelschlägen weite Strecken zurücklegen. Dasselbe gilt für den Hoverwing, bei dem zwei Motoren für den entsprechenden Aufwind sorgen.
Im Jahr 2010 begannen die Firmen Aero-Struktur-Maritim aus Gundelfingen und FKS-Systeme aus Burgau nach zweijähriger Ingenieurarbeit mit der Entwicklung des Fluggerätes. Vorausgegangen sei eine Anfrage aus Indonesien, ein solches Bodeneffektgerät zu bauen, erklärt FKS-Chef Franz Karnatjan. Diese habe sich allerdings als wesentlich teurer und zeitaufwendiger erwiesen als zunächst vorgesehen. Inzwischen sei der 25 mal 25 Meter große Prototyp zu 90 Prozent fertig und werde in einem Hangar samt Elektronik noch zusammengebaut. In einigen Monaten sollen dann die ersten Tests erfolgen, erzählt der Burgauer weiter. Die ersten zunächst zu Wasser, indem sich der Hoverwing mit einer Geschwindigkeit von etwa fünf Knoten vom Hafen in die offene See bewegt. In den nächsten Tests wird das Flugboot dann abheben und dabei trotz seiner hohen Geschwindigkeit extrem wenig Kerosin verbrauchen.
Bereits jetzt liegt das Augenmerk auf einer Weiterentwicklung mit Hybrid- oder Elektroantrieb. Zwar habe das Bundeswirtschaftsministerium eine Förderung in Millionenhöhe in Aussicht gestellt, dennoch suche man noch einen Investor. Karnatjan spricht dabei von einer Summe in Höhe von 25 Millionen Euro. Er zeigt sich zuversichtlich. Die Nachfrage sei da, egal ob in der internationalen Rettung, bei der Küstenwache, bei Offshore-Firmen oder beim Militär. Die Vorteile lägen auf der Hand: niedriger Energieverbrauch, Flexibilität und schnellstes Transportmittel auf dem Wasser, bei gerade einmal 70 Zentimetern Tiefgang _– gerade für Länder mit vielen Inseln interessant. Die Exklusivrechte für den Vertrieb in Deutschland und weiteren Ländern, darunter auch die Emirate, hat sich Karnatjan vorläufig schon einmal gesichert. Nur die Frage nach dem Führerschein stellt sich noch und die ist schnell beantwortet: Der Hoverwing ist ein Wasserfahrzeug, das zum Führen lediglich ein Bootspatent erfordert. Dann mal „Schiff ahoi“– oder vielleicht doch besser „Guten Flug?“Der Hoverwing dürfte, wenn alles wie geplant läuft, noch für einiges Aufsehen sorgen.