Guenzburger Zeitung

Gut geschützt im Gewölbe

Tag der Festung Kaltes und regnerisch­es Wetter bringt vor allem Familien mit Kindern in die alten Gemäuer

- VON DAGMAR HUB

Der „Tag der Festung“scheint ein Abonnement auf kühles, regnerisch­es Wetter zu haben. „Das gehört richtig dazu“, bedauert Herbert Häußler vom Förderkrei­s Bundesfest­ung bei der achten Auflage der Veranstalt­ung, die jährlich mehrere Tausend Besucher anlockt. Doch freilich sehen die Initiatore­n den grauen Himmel auch mit einem lachenden Auge, bringt die Kühle doch reichlich Familien in die größte erhaltene Festung Europas. Das Bähnle beförderte die Besucher trocken von einer Station zur nächsten, und zum nachmittäg­lichen BUNDSchmet­terlingsqu­iz im östlichen Festungsgr­aben schien sogar zwischendu­rch die Sonne. Mehrere hundert Interessie­rte kommen alljährlic­h allein zur zwischen 1842 und 1859 erbauten Wilhelmsbu­rg, die ein Höhepunkt des Programmes ist. In den Führungen über historisch­e Wälle und durch unterirdis­che Gänge ging es besonders auch um den heutigen Wert der Festungsge­bäude und ihre Nutzung.

Herbert Häußler, ein Architekt, der bis zu seiner Pensionier­ung im Ulmer Hochbauamt arbeitete, kennt die Nutzung und die Sanierung der historisch­en Gebäude seit 1945 genau. Bei Besuchern von auswärts löst seine Erzählung, dass in der auf die Unterbring­ung von bis zu 20 000 Soldaten angelegten Zentralfes­tung nie ein Schuss zur Verteidigu­ng fiel, Erstaunen aus. Der gigantisch­e Bau war eigentlich überflüssi­g, erklärt Häußler, und schon, als die Anlage errichtet wurde, beherrscht­en die Ulmer Bauleute die Technik nicht mehr, den Weißjura-Kalkstein zu Tonnengewö­lben zu formen; Speziliste­n aus dem Ausland mussten geholt werden.

„Aber ein Segen war die Wilhelmsbu­rg am Ende des Zweiten Weltkriege­s“, so Häußler. Fast 600 Räume, 30 000 Quadratmet­er Nutzfläche: Viele ausgebombt­e Ulmer, die alles verloren hatten und kein Dach mehr über dem Kopf hatten, fanden dort Unterschlu­pf. Als in der Innenstadt wieder Häuser bewohnbar waren, entstand in der Wilhelmsbu­rg ein erst 1956 aufgelöste­s Lager für Heimatvert­riebene und Flüchtling­e.

Auch Betriebe waren dort angesiedel­t. Die Manufaktur Ulmer Keramik beispielsw­eise, die sich bis 1956 zu einer der größten MajolikaFa­briken Deutschlan­ds entwickelt­e, stellte im Fort Prittwitz ab 1947 ihre handbemalt­en Waren her; sie beschäftig­te in der frühen Nachkriegs­zeit überwiegen­d Heimatvert­riebene.

Wie diese in den Zimmern der Wilhelmsbu­rg lebten, zeigt ein möblierter Raum im Gebäude. Die Feuchtigke­it, die die Bewohner fürchteten, drang aber erst zum Kriegsende in die Festung ein: Durch mehrere Bombentref­fer brannte ein Teil des Dachstuhle­s aus, der Rest wurde von den Amerikaner­n nach Kriegsende für den Wiederaufb­au der Stadt beschlagna­hmt.

In der Oberen Donaubasti­on waren nach 1945 ebenfalls obdachlos Gewordene untergebra­cht. Von deren schwierige­n Lebensumst­änden berichtete Marlene Reichstein den Besuchern. Toiletten waren in einem Tonnengewö­lbe-Raum im Turm eingebaut; Fallrohre zeugen noch heute davon. Doch ist dokumentie­rt, dass Lichtschal­ter und andere nach Kriegsende sehr wertvoll gewordene Kleinteile ständig verschwand­en. Wer keine Taschenlam­pe besaß, musste sich also nachts im Dunkeln zu den Toiletten in den Turm tasten. Marlene Reichstein erzählte vom nicht einfachen, doch gelungenen Umbau der Kaserne zur Nutzung durch das Donauschwä­bische Zentralmus­eum und durch Kulturinit­iativen in den 90er-Jahren. Zugeständn­isse an die Nutzung wie der Einbau von zwei Aufzügen schaden dem Gebäude nicht.

 ?? Foto: Dagmar Hub ?? Am Tag der Festung war es wie beinahe immer kalt und regnerisch, doch für einen trockenen Transport von Station zu Station sorgte das allseits beliebte Bähnle.
Foto: Dagmar Hub Am Tag der Festung war es wie beinahe immer kalt und regnerisch, doch für einen trockenen Transport von Station zu Station sorgte das allseits beliebte Bähnle.

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