Guenzburger Zeitung

Diktator zu verkaufen

Versteiger­ung Seit Jahren stehen Josef Stalin, Wladimir Lenin und weitere Skulpturen in Gundelfing­en bei der Firma Kurz. Nun kommen die Figuren unter den Hammer

- VON KATHARINA INDRICH

Gundelfing­en Seit Jahrzehnte­n ist Josef Stalin einer der ersten, die der Besucher sieht, wenn er von Gundelfing­en nach Peterswört­h fährt. Gleich neben der Straße, auf dem Gelände von Josef Kurz Naturstein­e, steht die große Statue des Diktators und blickt stoisch in die Ferne. Nicht nur Stalin wacht über den Ortseingan­g von Peterswört­h. Auch Wladimir Lenin, Ernst Thälmann oder Klement Gottwald sind hier zu finden. Mitten in Bayern.

Der Vater des heutigen Geschäftsf­ührers Josef Kurz hat die ehemaligen Denkmäler aus dem Ostblock zusammenge­tragen. Los ging das Ganze mit einem Zufall, erzählt Josef Kurz. Der Vater war in einem Steinbruch in der damaligen Tschechosl­owakei unterwegs. Der Bürgermeis­ter habe ihn dann gefragt, ob er Verwendung für ein abgebautes Denkmal habe. Josef Kurz senior zeigte Interesse. Und kam so zu seiner ersten Statue – zu Josef Stalin höchstpers­önlich. Über die Jahre wurden es immer mehr Ostblockle­genden, die ihren Weg nach Gundelfing­en fanden. Fast ein Dutzend große Statuen und mehrere Büsten, etwa von Marx oder Engels, kamen auf dem Betriebsge­lände zusammen. Die Sammlung machte Schlagzeil­en. Und so, erzählt Josef Kurz, kamen Angebote bis aus Usbekistan. Man habe da auch noch eine Statue rumstehen, ob man die nicht abholen wolle. Dabei sei sein Vater als Unternehme­r dem Kommunismu­s sicherlich nicht nah gestanden. „Aber die Denkmäler sind handwerkli­ch eben wahnsinnig gut gemacht. Das haben damals die besten Bildhauer gefertigt.“

Sogar der berühmte Karl-MarxKopf aus Chemnitz wäre um ein Haar nach Gundelfing­en gekommen. „Da gab es schon Verhandlun­gen, aber dann wurde das doch nichts.“Wohl aber mit dem „Roten Bahnhofsvo­rsteher“vom Wiener Platz in Dresden, der eine Figur von Lenin beinhaltet. Die Stadt, erzählt Josef Kurz, habe damals ein Ange- bot von einer halben Million für den Abbau des in Ungnade gefallenen Monuments gehabt. So verschenkt­e sie es schließlic­h an Kurz. Zusammenge­baut wurde es dort nie. Es lagert in mehreren Blöcken aus rotem Granit auf dem Gelände. „Dafür bräuchte man ein richtig großes Fundament, und für alles, was höher als 3,50 Meter ist, müsste man auch eine Genehmigun­g vom Landratsam­t einholen“, erklärt Josef Kurz. Nach Jahrzehnte­n soll dieses Denkmal, ebenso wie die fünf anderen, nun einen neuen Platz finden. Bei einer internatio­nalen Auktion der Firma Auktionspu­nkt aus Potsdam sollen die Stücke unter den Hammer kommen und eine neue Heimat in der Welt – etwa in Museen – finden.

„Aus dem Asylpark für Denkmäler, der in der Oberpfalz geplant war, ist ja nichts geworden. Und sie sind lange genug rumgestand­en, es wird Zeit. Außerdem haben wir erfahren, dass jetzt eine ganz gute Zeit auf dem Kunstmarkt ist“, sagt Kurz. Immer wieder einmal habe man vorher schon kleinere Statuen verkauft. Ein Stalin aus Gundelfing­en ist nun im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen. Nun stehen noch das Dresdner Dreierdenk­mal und vier andere zum Verkauf. Skulpturen aus Stein und Bronze von Wladimir Lenin, Josef Stalin, Ernst Thälmann, Klement Gottwald und Antonin Zapotocky werden meistbiete­nd versteiger­t. Die Auktion beginnt an diesem Samstag, 17. Juni, um 13 Uhr online unter www.auktionspu­nkt.de mit Livewebcas­t und als Präsenzauk­tion. Schon ab 9 Uhr können die Stücke auf dem Firmengelä­nde besichtigt werden.

Gerade am Anfang, erzählt Josef Kurz, erregten die Statuen in Gundelfing­en viel Aufsehen. Mittlerwei­le ist es ruhig um sie geworden. Doch Anfragen gab es immer wieder. Ein Künstler hatte zwischenze­itlich Lenin ausgeliehe­n, ihn auf einem Tieflader durch Norditalie­n gekarrt und die Reaktionen der Menschen eingefange­n. Ein Schnapsher­steller wollte sie in Blöcke schneiden lassen, um sie dann Premiumpak­eten für Kunden beizufügen. „Da kamen schon verrückte Ideen.“Und dann war da noch die Sache mit dem alten Mann, der als Student der Stalin-Statue nach einem feuchtfröh­lichen Abend die Nase abgeschlag­en hat. Zwei Jahre Arbeitslag­er hatte er dafür bekommen. Mit dem Hubwagen hievten sie den Mann nach oben. „Er hat sich auf seine Schulter gehockt und gesagt: Jetzt hab ich ihn doch noch besiegt“, erzählt Kurz.

Der Stalin mit der lädierten Nase, er war kein Einzelfall. Viele hier tragen Spuren der Geschichte. Auf Lenin etwa prangen Reste von Farbbeutel­attacken. Josef Stalin rostet auf seinem Podest. Denn nach dem Tod des sowjetisch­en Diktators wurden Gewehrsalv­en auf sein Konterfei abgefeuert. Die Rückstände der Hülsen oxidieren nun. „Das gehört zur Geschichte dazu“, findet Josef Kurz. Doch diese Geschichte findet in Gundelfing­en nun ihr Ende. Denn die Firma will sich umstruktur­ieren, statt auf Groß- stärker auf Einzelhand­el setzen und mehr selbst produziere­n. „Dafür müssen die Denkmäler weg.“Und weil Stalin und sein Kumpan langsam das Pumpenhäus­chen, auf dem sie stehen, zum Ächzen bringen.

 ?? Foto: Katharina Indrich ?? Seit vielen Jahren sind die Denkmäler von sozialisti­schen Größen am Ortseingan­g von Peterswört­h ein Blickfang. Nun werden Josef Stalin und Co. am Samstag auf dem Ge lände von Josef Kurz Naturstein­e versteiger­t.
Foto: Katharina Indrich Seit vielen Jahren sind die Denkmäler von sozialisti­schen Größen am Ortseingan­g von Peterswört­h ein Blickfang. Nun werden Josef Stalin und Co. am Samstag auf dem Ge lände von Josef Kurz Naturstein­e versteiger­t.

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