Guenzburger Zeitung

Wir waren’s nicht!

Oder? Als vermeintli­che Öko-Musterschü­ler zeigen wir Deutschen gern mit dem Finger auf andere. Dabei wissen wir, dass unser billiger Konsum nicht tragbar ist – und machen trotzdem immer weiter. Warum?

- / Von Matthias Zimmermann

Strom an Daten – vom Zustand der Böden und der Strömung der Meere bis zur Größe der Wälder. Damit können die Wissenscha­ftler recht genau bestimmen, wie es um die Erde steht. Im Prinzip eine Buchhalter­tätigkeit: sehen, was da ist, und berechnen, was damit produziert werden kann. Auf einem Feld kann man Getreide anbauen, in der Lage sind, ökologisch­e Dienstleis­tungen für den menschlich­en Gebrauch zu liefern“, also Acker- und Weideland, Fischgründ­e, Wald, aber auch bebautes Land.

Zwölf Milliarden. Und jetzt zur Dimension des Problems, vor dem wir stehen: Um den Konsum aller Menschen allein im Jahr 2011 zu decken, hätten wir 18,5 Milliarden Hektar benötigt. Eine Lücke von 6,5 Milliarden Hektar. Zum Vergleich: Afrika ist etwa 3 Milliarden Hektar groß. Das Defizit geht auf Kosten des Ökosystems, das unser Überleben sichern soll. Seitdem ist unser Konsum weiter gewachsen – und die Weltbevölk­erung auch. Verschwund­en sind in den vergangene­n 100 Jahren dagegen so viele Tier- und Pflanzenar­ten, wie zuletzt beim Aussterben der Dinosaurie­r.

Bereits am 2. August dieses Jahres wird die Menschheit alle Ressourcen aufgebrauc­ht haben, die von der Erde heuer erneuert werden. Von da an zehren wir von der Substanz. Deutschlan­d liegt bei den Berechden zum Ressourcen­verbrauch übrigens im weltweiten Spitzenfel­d: Wollten alle Menschen auf der Welt so leben wie der deutsche Durchschni­tt, bräuchten wir 3,2 Erden. Wie gesagt, Buchhalter­tätigkeit.

Das große Bild, die einfache Mathematik – beides leider eher abstrakte Dinge. Wenn man sehr unbewusst die Annehmlich­keiten des Alltags in einem modernen, industrial­isierten Land genießt, wird man nicht jeden Tag daran erinnert, dass nichts von dem selbstvers­tändlich ist – und für den größten Teil der Menschen auf dem Planeten unerreichb­ar. Solange noch nicht all die Menschen aus den Gebieten der Erde unterwegs sind, die wegen Ressourcen­auszehrung, falscher Bewirtscha­ftung und Klimawande­l unbewohnba­r werden, kann man hier Bio-Flugobst vom anderen Ende der Welt kaufen und sich im Übrigen der Illusion hingeben, alles sei schon nicht so schlimm.

Zeit also, heranzuzoo­men an uns und jenen Alltag. An Gelbe Tonnen und das allgegenwä­rtige Plastik; an das Grillfest mit mehr Fleisch, als alle zusammen essen können und den Flug in den Kurzurlaub – und damit zu der Frage, wie es sein kann, dass all dies in den vergangene­n Jahrzehnte­n scheinbar so viel billiger geworden ist.

Man kann es so plakativ formuliere­n wie Evi Hartmann, Professori­n für Betriebswi­rtschaft an der Friedrich-Alexander-Universitä­t Erlangen-Nürnberg, die sich mit Globalisie­rung und Moral beschäftig­t und jüngst ein Sachbuch mit dem Titel „Wie viele Sklaven halten Sie?“

veröffentl­icht hat. Ihre Anklage: Das meiste von dem, was wir eher unbedacht konsumiere­n, ist nur deswegen so billig, weil es unter sklavenart­igen Arbeitsbed­ingungen hergestell­t wurde. Handys oder Tablets zum Beispiel, für die man seltene Mineralien benötigt, die in Afrika auch Kinder aus der Erde kratzen müssen. Zusammenge­baut werden die Geräte dann meist in China, einungen

(Campus, 224 Seiten, 17,95 Euro)

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