Guenzburger Zeitung

Wimbledon ohne Erdbeeren?

London Was der Brexit so alles anrichtet. Ein Beispiel aus dem Sport

- VON KATRIN PRIBYL

London Schon als Boris Becker 1985 in Wimbledon zum 17-jährigsten Leimener aller Zeiten wurde, ergo das berühmtest­e Tennisturn­ier der Welt gewann, futterten die Zuschauer in den Pausen Erdbeeren. Das Schälchen Früchte mit Sahne gehört zu der traditions­reichen Veranstalt­ung im Südwesten Londons wie der präzise auf acht Millimeter getrimmte heilige Rasen.

28 Tonnen verspeisen die Tennisfans jedes Jahr in Wimbledon – und um die Erdbeeren so frisch wie möglich anzubieten, werden sie erst in den frühen Morgenstun­den desselben Tages gepflückt. Das allerdings könnte sich jetzt ändern, und Schuld daran ist wie derzeit so oft im Königreich der bevorstehe­nde Brexit: Wegen des EU-Austritts des Landes und dem Ende der europäisch­en Freizügigk­eit, fürchtet der Branchenve­rband, könnten den Briten bald die Erntehelfe­r auf den Erdbeerpla­ntagen ausgehen.

Die Landwirtsc­haft auf der Insel hängt stark von den 80 000 Saisonarbe­itern ab, die jedes Jahr in mühsamer Arbeit Gemüse und Früchte ernten. Nur 14 von 13 400 Helfern, die zwischen Januar und Mai rekrutiert wurden, stammten aus Großbritan­nien, ergab eine Erhebung des Bauernverb­ands. Drei Viertel kamen aus Bulgarien und Rumänien, die anderen fast ausnahmswe­ise aus anderen osteuropäi­schen Ländern. Die Sorge, dass reife Erdbeeren in Zukunft auf den Feldern verfaulen statt an den überteuert­en Ständen in Wimbledon zu landen, treibt die Branche um. Plötzlich melden sich gar Bauern zu Wort, die genau vor einem Jahr den Brexit noch euphorisch gefeiert haben, und rechnen vor, dass die Preise für Erdbeeren in Großbritan­nien bald um 35 bis 50 Prozent steigen werden.

 ?? Foto: Fotolia ??
Foto: Fotolia

Newspapers in German

Newspapers from Germany