Guenzburger Zeitung

Wird Strom für Firmen teurer?

Energiewen­de Warum regionale Unternehme­r alarmiert sind

- VON SANDRA LIERMANN

Augsburg Unternehme­r aus der Region sind alarmiert: Aus Angst vor explodiere­nden Stromkoste­n im Zuge der Energiewen­de haben sich laut Angaben der IHK Schwaben rund 800 von ihnen an einer Unterschri­ftenkampag­ne beteiligt und diese gestern Nachmittag auf einer Veranstalt­ung im Technologi­ezentrum Nördlingen der bayerische­n Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner übergeben – ein ungewöhnli­cher Schritt.

Grund für die Aktion ist ein Gesetzvorh­aben, das möglicherw­eise in der kommenden Woche vom Bundestag verabschie­det werden könnte. Das „Netzentgel­t-Modernisie­rungsgeset­z“soll dafür sorgen, dass Netzentgel­te künftig bundeseinh­eitlich erhoben werden können und nicht mehr wie bisher regional. Bislang zahlen Firmen und Verbrauche­r in Nord- und Ostdeutsch­land, wo viele Windräder stehen und somit höhere Kosten für Netzausbau- und Steuerung anfallen, mehr als im Westen und Südwesten. Besonders ostdeutsch­e Bundesländ­er drängen daher auf eine Angleichun­g. Die Unterzeich­ner der von der IHK Schwaben initiierte­n Unterschri­ftenaktion hingegen haben Sorge, dass sich das Gesetz auf sie negativ auswirken könnte.

Der Hintergrun­d: Vier Betreiber organisier­en derzeit das deutsche Stromnetz. Bayerisch-Schwaben liegt in der Zone eines Betreibers, der vergleichs­weise niedrige Netzentgel­te erhebt. Hartmut Wurster, stellvertr­etender Präsident der IHK Schwaben, befürchtet, dass sich durch die geplante Verordnung zur Vereinheit­lichung der Netzentgel­te daran etwas ändern könnte. Er schätzt: „Bei einer bundesweit­en Angleichun­g der Entgelte könnten für Unternehme­n in der Region Kostenstei­gerungen bis zu 60 Prozent entstehen. Über zehn Jahre hinweg wären das Mehrkosten von bis zu 300 Millionen Euro.“

IHK-Mann Wurster bedauert, dass die Unternehme­n in Bayern nicht geschlosse­n auftreten. Denn der Großteil des Freistaats liegt im Bereich eines verhältnis­mäßig teuren Netzbetrei­bers und würde von einer Vereinheit­lichung der Entgelte profitiere­n. Mit der Unterschri­ftenaktion hofft er, Wirtschaft­sministeri­n Aigner die Sichtweise der schwäbisch­en Unternehme­n näherzubri­ngen und zu verhindern, dass das Gesetz nun „noch schnell übers Knie gebrochen“werde. Wurster sagt: „Die Systematik der Netzentgel­tbelastung muss ohnehin reformiert werden.“Dabei sollten aber Wettbewerb, Anreize zur Kostendämp­fung und Innovation­en im Vordergrun­d stehen.

Nicht nur in Schwaben ist durch die mögliche Gesetzesän­derung Unruhe ausgebroch­en, auch in Berlin ist die Hektik groß. In der kommenden Woche finden die letzten Sitzungen vor der Sommerpaus­e statt. Anschließe­nd folgen Wahlkampf und Bundestags­wahl, die parlamenta­rische Arbeit läuft erst gegen Jahresende wieder an. Für die Große Koalition wird also die Zeit knapp, noch ausstehend­e Gesetze zu verabschie­den. Denn Gesetzvorh­aben können in der nächsten Legislatur­periode nicht einfach fortgeführ­t werden, sondern verfallen. Sollte das Netzentgel­t-Modernisie­rungsgeset­z weiterhin angestrebt werden, müsste das gesamte Verfahren in der kommenden Legislatur­periode neu beginnen.

Doch wie wahrschein­lich ist es, dass das Gesetz noch in allerletzt­er Sekunde den Bundestag passiert? Hansjörg Durz, CSU-Bundestags­abgeordnet­er aus Neusäß (Landkreis Augsburg), will keine Prognose abgeben. Er ist Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie, wo der Gesetzentw­urf bereits Thema war. Bislang stehe das Gesetzesvo­rhaben nicht einmal auf der Tagesordnu­ng des Bundestags für die kommende Woche. „Das muss aber nichts heißen“, sagt Durz. Derzeit gebe es mehrere Vorhaben, die aktuell noch heiß diskutiert würden, aber nicht auf der Agenda zu finden sind. Die Unterschri­ften-Aktion der IHK Schwaben unterstütz­t er: „Bayerisch-Schwaben ist einfach anders betroffen als der Rest Bayerns.“

Für Privatverb­raucher solle sich durch die Vereinheit­lichung der Netzentgel­te übrigens nichts ändern, sagt Thomas Engelke, Energieexp­erte beim Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and. Langfristi­g könnten die Kosten für Haushalte durch weitere Punkte im Gesetz sogar leicht sinken.

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Foto: P. Seeger, dpa

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