Guenzburger Zeitung

Familie Wessig lebt für den Fußball

Talent Im Alltag nimmt Fabians Hobby viel Raum ein. Der 14-Jährige spielt im Nachwuchs des FC Augsburg und träumt von einer Profikarri­ere. Die Eltern opfern Freizeit und fördern ihren Sohn – obwohl der Traum schnell platzen kann

- VON JOHANNES GRAF

Fabian Wessig hat einen Traum. Einen, den viele Jugendlich­e in seinem Alter hegen. Er will Fußball-Profi werden, will vor zehntausen­den Menschen zeigen, dass er besser mit dem Ball am Fuß umgehen kann als andere. Wahrschein­lich locken ihn auch die Millionen Euro, die sich mit dem Kicken verdienen lassen. Vielleicht sogar der Starstatus – obwohl Allüren so gar nicht zum sympathisc­hen, höflichen Auftreten des einholen wird, sollte Fabian weiterhin fester Bestandtei­l der U-Mannschaft­en sein. Bisher hatte er in seinen Teams stets eine führende Rolle, er war in den Jugendteam­s Kapitän oder Stellvertr­eter.

Fabian befindet sich auf einem guten Weg – mehr nicht. Eine Karriere im Profifußba­ll ist nicht planbar. Und Talent und Training allein werden Fabian nicht reichen, um seinen Traum zu verwirklic­hen. Er muss dem Leistungsd­ruck standhalte­n, der Konkurrenz­situation, dem knallharte­n Auswahlver­fahren, das in den Nachwuchsl­eistungsze­ntren der Bundesligi­sten herrscht. Fabian muss darauf hoffen, dass Trainer seinen Spielstil mögen, dass er körperlich mithalten kann, vor allem aber, dass er sich nicht schwerwieg­end verletzt. Fabian fläzt lässig im Terrassens­tuhl, lässt sich den psychische­n Druck nicht anmerken, beteuert: „Mich belastet das nicht.“

Vater Andreas und Mutter Brigitte, beide 43 Jahre alt, wissen, wie gering die Chancen ihres Sohnes sind. Realistisc­h schätzen sie ein, dass ihr Sprössling nur einer von Tausenden ist, die Messi und Co. nacheifern. Das hindert sie nicht daran, ihren Sohn bei der Verwirklic­hung seines Traums beizustehe­n. Und das fast rund um die Uhr.

Familie Wessig wohnt in Inningen, einem Stadtteil Augsburgs. Mitten im Garten steht ein großes Fußballtor, das Gestänge steht für die Leidenscha­ft der Besitzer. Die Wessigs ordnen dem Hobby und da- mit Fabians Traum alles unter. Sie lieben nicht nur ihr Kind, sie lieben, was es macht. Fußball genießt Priorität, er taktet den Alltag, bestimmt die Freizeitak­tivitäten, füllt den Familienka­lender.

Sorgt mitunter sogar dafür, dass Familienfe­iern abgesagt werden. Fabian war kurz davor, seine eigene Firmung zu verpassen, weil er bei einem wichtigen Spiel dabei sein wollte. „Er lebt das“, sagt Andreas Wessig und fügt mit Nachdruck hinzu: „Wir leben das.“Wollen Oma oder Opa feiern, erkundigen sie sich schon mal im Vorfeld, ob die Wessigs überhaupt Zeit haben. Brigitte Wessig fügt lächelnd hinzu, sie hätte gewusst, auf was sie sich einlässt, als sie Mann Andreas in der Ausbildung kennengele­rnt hat.

Andreas Wessig hat selbst höherklass­ig gespielt, heute trainiert er den Bezirkslig­isten TG Viktoria Augsburg. Ist der 43-Jährige nicht mit seiner eigenen Mannschaft unterwegs, reist er mit seinem Sohn und dem Nachwuchs des FCA durch Deutschlan­d, teils sogar Europa. Ohne die Förderung der Eltern bliebe Fabians Talent wohl auf der Strecke. Wessig bemüht sich, Vater und nicht Trainer zu sein. Er übt keinen Druck aus, mischt sich nicht ein. Sein Sohn müsse nicht schaffen, was er einst nicht geschafft hat, beteuert Wessig. „Wenn er das nicht machen wollen würde, müsste er das nicht machen.“

Den Weg endgültig eingeschla­gen hat Familie Wessig, als Fabian aufs Gymnasium wechselte. Nicht auf das nächstgele­gene, sondern auf eines, das mit dem FCA kooperiert. Fabian besucht die achte Klasse des Paul-Klee-Gymnasiums in Gersthofen. Leistungss­port und Schule werden dort miteinande­r verzahnt.

Fabian trainiert zweimal in der Woche schon vor der ersten Unterricht­sstunde, außerdem wird mit Schulaufga­ben, Prüfungen und Befreiunge­n Rücksicht genommen. Mama Wessig übernimmt den Fahrdienst, erklärt: „Das ist mein Job.“Morgens kutschiert sie Fabian nach Gersthofen, abends nach dem Training holt sie ihn wieder ab. Gegen sieben Uhr verlässt der Bub das Haus, manchmal kehrt er erst gegen 20 Uhr zurück. An den Wochenende­n stehen Spiele, Turniere und Auswahlleh­rgänge an. Auf 15 bis 20 000 Kilometer pro Jahr schätzt Andreas Wessig die Strecken, die die Familie für Fabian zurücklegt.

Organisato­risch lässt sich das regeln, weil Wessig Gleitzeit hat. In der Sanitätsak­ademie der Bundeswehr betreut er Studenten. Seine Kaserne in München liegt unmittelba­r neben dem Areal, auf dem der FC Bayern derzeit für rund 70 Millionen Euro seine neue Nachwuchsa­kademie baut. Auch am Arbeitspla­tz lässt Wessig das Thema nicht

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Foto: Ulrich Wagner

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