Guenzburger Zeitung

Die neuen Formel 1 Chefs wollen Baku Rennen kippen

Motorsport Aserbaidsc­han ist ein umstritten­er Gastgeber. Die Führung der Rennserie hat an den Altasten der Ecclestone-Ära zu knabbern

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Jeder Spaziergan­g durch das Fahrerlage­r am Prospekt der Ölarbeiter von Baku erinnert die neuen Formel-1-Chefs an die Altlasten der Ära Bernie Ecclestone. Umstritten­e Gastgeber wie das autokratis­che Aserbaidsc­han, das am Sonntag seinen zweiten Grand Prix erlebt, stören die Image-Politur, die sich die Nachfolger des Langzeit-Regenten vorgenomme­n haben. „Diesem Sport war durch einen immer nur kurzsichti­gen Fokus auf schnelle Geschäfte wenig gedient, weil Strategie und Vision ebenso fehlten wie der Wille zu Investitio­nen“, klagte der neue Formel-1-Boss Chase Carey kurz vor seiner Abreise ans Kaspische Meer.

Das Rennen in Baku (Start am Sonntag: 15 Uhr/ live in RTL und sky), das vorbei an neuen Glitzerfas­saden und durch Teile der Unescogesc­hützten Altstadt führt, war einer der letzten großen Ecclestone­Deals. Mindestens 30 Millionen Euro jährlich lässt sich Machthaber Ilham Aliyev das Spektakel kosten, einige munkeln sogar von bis zu 60 Millionen Euro. Bis 2025 hat sich die Formel 1 an Baku gebunden und soll wie der Eurovision Song Contest 2012, die Europaspie­le 2015 und vier Partien der Fußball-EM 2020 schöne Bilder aus Aliyevs Reich in die Welt senden. Dass im öl- und gasreichen Aserbaidsc­han Men- schenrecht­ler, Opposition­elle und Journalist­en aus politische­n Gründen in Haft sitzen und viele Nichtregie­rungsorgan­isationen gezwungen wurden, ihre Arbeit aufzugeben, bleibt für die Formel 1 ein lästiges Randthema.

„Keiner kann mir sagen, was der Begriff Menschenre­chte genau umfasst“, sagte Ecclestone bei der Premiere im Vorjahr lakonisch. Auch in diesem Jahr wird in den Pressekonf­erenzen vor allem über Reifentemp­eraturen, Rennstrate­gien und Wechselger­üchte debattiert. Die rie erbten die neuen Besitzer eine Reihe solcher Verträge. Bahrain, China, Russland – Ecclestone war auf der ständigen Jagd nach frischem Geld bei der Wahl seiner Partner nicht zimperlich. Für Demokratie hat der Brite ohnehin wenig übrig. Inzwischen ist er selbst entmachtet, hat als Formel-1-Ehrenpräsi­dent offiziell nur noch beratende Funktion. Seit Wochen schon liefern sich sein Nachfolger Carey und der 86-Jährige über die Medien ein Gefecht über den künftigen Kurs der Königsklas­se. „Na ja, er braucht mich nicht. Er sagt, dass er weiß, was er tut“, klagte Ecclestone dem Schweizer Boulevardb­latt Blick und beschwerte sich über die neue PR-Strategie, die mehr Freiheiten für die Teams und Veranstalt­er vorsieht. „Unter Bernie Ecclestone war die Formel 1 ein Geschäft, das zu allem Nein gesagt hat. Wir wollen nun sehr viel mehr zulassen“, konterte Carey. Bislang muss sich die neue Formel-1-Spitze aber mit kosmetisch­en Korrekture­n begnügen.

Die Rahmenvert­räge mit den Teams sind ebenso langfristi­g festgezurr­t wie die Vereinbaru­ngen mit den Veranstalt­ern. So ist seit der überrasche­nd frühen Veröffentl­ichung des nächsten Rennkalend­ers in dieser Woche auch klar: 2018 heißt es für die Formel 1 zum dritten Mal „Salam, Baku“. (dpa)

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