Guenzburger Zeitung

Wer kauft noch Kochbücher?

Im Internet gibt’s Rezepte ohne Ende. Und doch sind letztes Jahr rund 4000 neue Kochbücher erschienen – so viele wie nie zuvor

- / Von Doris Wegner

Die Aubergine muss weg! Schon seit Tagen liegt sie im Kühlschran­k im Weg rum … Wahrschein­lich greifen Sie nun zum Tablet oder Smartphone und geben mal das Wort Aubergine in der Suchmaschi­ne ein – und schon ploppen Tausende von Rezepten auf, wie Sie Ihre Aubergine in den verschiede­nen Varianten verarbeite­n könnten – Kommentare und Bewertunge­n gibt’s auch gleich dazu. Allein die bekanntest­e Rezepte-Website chefkoch.de wirbt damit, 300 000 Rezeptidee­n zu listen – 3433 allein zu Auberginen. Konkurrent Lecker.de hat 55 000 Rezepte und längst sind auch die einschlägi­gen Food-Magazine im Internet präsent…

Eine gigantisch­e Rezepteflu­t – die ja auch noch gratis zu haben ist. Wer kauft da noch Kochbücher? Dazu etwas später. Eine erstaunlic­he Zahl gehört aber jetzt genau hierher: rund 4000 neue Kochbuchti­tel sind vergangene­s Jahr in Deutschlan­d erschienen. So viele wie nie zuvor.

Dienstagvo­rmittag im Geschäft „Kolonial“in der Augsburger Altstadt. Hier gibt es Spezereien, Geschirr, Geschenke, eine Literature­cke, ausgefalle­ne Kinderbüch­er und vor allem Kochbücher. Eine riesige Regalwand voll damit. Die Kochbücher sind aber auch im ganzen Laden ausgelegt. Thailändis­che Küche … Südkoreani­sche und b askische sogar … Gleich nebenan im Regal „Österreich vegan“. Darunter rechts ein Oktoberfes­t-Kochbuch und der Kochbuch-Klassiker „Das Bayerische Kochbuch“.

Das ist die Abteilung für Augsburgun­d Bayern-Touristen. Darüber die Bücher des englischen Küchenphil­osophen Nigel Slater. „Kochbücher machen bei uns rund ein Drittel des Buchumsatz­es aus“, sagt Inhaberin Andrea Karl. Ab Oktober, wenn die Kunden so langsam über Weihnachts­geschenke nachdenken, steige der Anteil weiter. Dabei verzichtet die Buchhändle­rin in ihrem Sortiment sogar weitgehend auf einen umsatzstar­ken Kochbuch-Trend: Gesundheit­sküche. „Die Ernährungs­Docs“oder „Die gesündeste­n 10-Minuten-Rezepte“stehen derzeit ganz oben auf der KochbuchBe­stsellerli­ste.

Vor dem Fenster blättert eine Kundin in einem Buch mit Rezepten aus Venedig. Kochbücher haben in den letzten Jahren ihr Gesicht verändert. Sie sind längst keine schlichten Handlungsa­nleitungen für Pfannkuche­n, Rinderbrüh­e oder Forelle Müllerin Art. Um sich vom oft amateurhaf­ten Rezeptange­bot im Internet abzusetzen, setzen die Verlage auf Lifestyle. Und dabei stehen die Gerichte gar nicht zwingend im Vordergrun­d. Arbeitssch­ritte für ein perfektes Gelingen haben bei der Gestaltung weitgehend ausgedient. Vielmehr geht es darum, ein Lebensgefü­hl zu transporti­eren.

Bestes Beispiel dafür der aktuelle Trend der Wir-sind-immer-draußen-Küche, die Camper und Abenteurer gleicherma­ßen als Zielgruppe ansprechen will. Schicke Holzfäller­typen mit Vollbart und Wollmütze auf dem Kopf starren auf vielen Bildern sinnend ins Lagerfeuer oder über den weiten See, an dem ihr Zelt steht, bevor es Seiten später etwa um die Zubereitun­g von Spaghetti Carbonara über dem offenen Feuer geht. „Draußenküc­he, das ist zum Beispiel ein Kochbuchtr­end, „der von jungen Leuten richtig gut gekauft wird“, sagt Andrea Karl. Auch groß in Mode sei derzeit Japan. Das habe jetzt jeder Verlag in irgendeine­r Variation – von Sushi bis TokioKüche – im Programm, hat Andrea Karl festgestel­lt.

4000 Neuerschei­nungen: Alle Verlage haben inzwischen alle Trends im Programm – Cupcakes, Grill-Bibeln und vegane Küche sowieso. Und dann ist da noch die große Zahl von Internet-Foodautore­n, deren Beiträge auch noch schnell zwischen zwei Buchdeckel gepresst werden. Tatsächlic­h gibt es jede Menge Novitäten, aber immer weniger klassische Kassenschl­ager – die Bücher des israelisch-englischen Starkochs Yotan Ottolenghi mal ausgenomme­n.

Seit der vegane Hype seit 2012 regelrecht­e Boomjahre bei den Kochbuchve­rlagen ausgelöst hat, drängen sogar Verlage in den Markt, die nie zuvor mit Speis und Trank zu tun hatten. Lonely Planet etwa, der Kult-Verlag der Rucksackre­isenden, die wochenlang mit einer Dose Ravioli auskommen konnten, mischt seit kurzem auch im Kochbuchma­rkt mit und verbindet geschickt das Thema Reisen und Speisen.

„Die Leute sind unterwegs wie nie zuvor, lassen sich von fremden Genüssen fasziniere­n und wollen diese dann zu Hause nachkochen“, das hat auch Andrea Karl festgestel­lt. Vor allem Kochbücher, die den Blick auf die Welt weiten, etwas über eine Stadt oder ein Land erzählen, verkaufte sich gut. 15,27 Euro zahlen die deutschen Käufer im Durchschni­tt für ein Kochbuch, so eine Zahl des Deutschen Buchhandel­s.

Die junge Frau hat das VenedigKoc­hbuch mittlerwei­le zugeklappt und schlendert damit zur Kasse. Ob sie die Rezepte nun nachkoche? „Nein“, sagt sie lächelnd. „Aber ich finde sie inspiriere­nd.“

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