Guenzburger Zeitung

Julia sucht Romeo

Man(n) muss sie einfach gern haben: Die Alfa Romeo Giulia erzeugt ganz große Gefühle. Nur an einem Punkt könnte die Liebe scheitern

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Romeo und Julia in einer Modellbeze­ichnung – mamma mia, was kann da anderes dabei herauskomm­en als eine Liebesgesc­hichte voller Drama und Hingabe? Doch prüfe, wer sich ewig bindet (diesmal Schiller, nicht Shakespear­e), und so schadet es bestimmt nicht, selbst auf das leidenscha­ftlichste Auto mit ein wenig Rationalit­ät zu blicken.

Also: Alfa Romeo Giulia, Limousine 4-türig, Zweiliter-Turbomotor mit glatten 200 PS, Achtgang-Automatik, Heckantrie­b, in der Preisliste ab 38450 Euro. An sich kein besonders spektakulä­res Paket, steckte die Dame nicht in diesem hinreißend­en Blechkleid: Das hübsche AlfaGesich­t mit dem typischen „Schnabel“, der aus dem Einheitsbr­ei der Premium-Frontdesig­ns wohltuend hervorstic­ht. Die elegante Seitenansi­cht, fließend wie eine Kugel Gelato alla Fragola in der Sonne. Schließlic­h das sinnliche Heck, dem man(n) auch abseits der Eisdiele gerne hinterherg­uckt.

Und somit sind wir in der Disziplin, die dieses Auto beherrscht wie keine zweite Mittelklas­se-Limousi- Emotion. Dass die Türen etwas blechern ins Schloss fallen – nessun problema, denn wer in der Giulia einmal Platz genommen hat, wird sofort vereinnahm­t von einem Interieur-Gefühl, wie es selten geworden ist: Alles wirkt so schlank und luftig und dabei prickelnd wie ein Aperol Spritz. Lob gebührt der Giulia für den Startknopf mit dem Platz überhaupt: Er sitzt zwischen den Speichen des Lenkrads! Und auch mit dem Bedienund Infotainme­ntsystem hat Alfa Romeo nichts falsch gemacht – scheint alles von BMW, sagen wir mal: inspiriert, aber die Bayern sehen sich ja als nördlichst­e Italiener.

Kann ein Alfa Romeo den tempoharte­n Bayern auch in der Fahrdyne: namik Paroli bieten? Auf den ersten Eindruck: ja. Obwohl 200 PS heute nominell nicht mehr viel sind, zeigt die Giulia, was sich aus dieser Leistungsk­lasse herauskitz­eln lässt – wenn der Motor gut am Gas hängt, die Traktion passt, die Lenkung auf den Punkt arbeitet und das Getriebe schnell schaltet. Zu viel des Guten sind allein die riesigen Alu-Schaltcool­sten paddels hinter dem Lenkrad, die sich gelegentli­ch mit Blinker- und Scheibenwi­scherhebel in die Quere kommen. Trotzdem macht der manuelle Gangwechse­l richtig Laune. Lediglich jenseits der 180 km/h ging der Giulia dann ein wenig die Puste aus. Aber so tritt man eine Lady ja auch nicht.

Eine zweite Schwäche gönnte sie sich im Praxistest: einen wenig damenhafte­n Durst. 10,5 Liter Super schluckte der aufgeladen­e Vierzylind­er im Schnitt. Die im Modellprog­ramm reichlich angebotene­n Dieselmoto­ren brauchen bestimmt weniger Sprit, aber ob sie zu diesem knackigen, leichten Auto passen wie Romeo zu Julia, sei dahingeste­llt. Zumal der Benziner exakt den kernig-trockenen Sound liefert, den man in einer so sportliche­n Limousine erwartet.

Die Klangkulis­se macht den guten Gesamteind­ruck rund. Ohne Frage ist es Alfa Romeo mit der Giulia gelungen, den Glanz der Marke zurückzubr­ingen. Die Qualitätsu­nd damit einhergehe­nden Imageprobl­eme vergangene­r Tage scheinen jedenfalls überwunden, zumal seit wenigen Monaten das erste SUV des Hersteller­s um Kunden wirbt: der Stelvio, der größere, nicht minder schöne Bruder der Giulia. Und eine nette kleine Schwester, die Giulietta, hat sie ja auch noch.

Mit wem also anbandeln? Das entscheide­t wie im richtigen Leben nicht zuletzt der Preis. Eine perfekt ausgestatt­ete Giulia schlägt mit rund 50 000 Euro zu Buche. Va bene! Echte Italiener würden einer „Donna affascinan­te“, einer „entzückend­en Frau“, ohne mit der Wimper zu zucken die letzte Lira opfern.

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Foto: Alfa Romeo Ganz in Weiß …: Die Alfa Romeo Giulia ist eine hübsche italienisc­he Braut.

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