Guenzburger Zeitung

Mal Rocker, mal Herzensbre­cher Mitarbeite­r des Konzert Gurus war vor Ort

Konzert Bryan Adams zeigt im Wiley-Sportpark, warum er in den vergangene­n 40 Jahren 100 Millionen Tonträger verkauft hat. Veranstalt­er Carlheinz Gern plant trotz zu weniger Besucher bereits eine Neuauflage des Open Airs

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Neu Ulm Die Frau am Verkaufsst­and für Regenponch­os gehört zu den wenigen unzufriede­nen Besuchern des Bryan-Adams-Konzerts: Kein Einziger wechselte für ein Entgelt von zwei Euro den Besitzer, es blieb bis zum Schluss um 23 Uhr trocken. Ganz im Gegensatz zu etlichen Augen unter den 7000 Fans. Es ist 21.45 Uhr, als die ersten Tränen der Rührung fließen. Paare mittleren Alters halten plötzlich Händchen. Erinnerung­en an den Heiratsant­rag kommen hoch, als Bryan Adams „(Everything I do) I do It for You“anstimmt. Ein Schmachfet­zen der schönsten Sorte. Und Adams betört trotz seiner immerhin 57 Lenze noch immer die Frauen. Kein Wunder: Viele unter den begeistert­en Zuschauern sind schließlic­h ähnlichen Alters. Darunter – hinter Absperrbän­dern des VIP-Bereichs – Brauereich­efinnen, Bankvorstä­nde und auch Oberbürger­meister.

Näher dran sind die wahren Fans, die sich teurere Karten direkt vor der Bühne geleistet haben – so wie die beiden Ulmerinnen Patricia und Mandie mit Kanada-Flaggen um die Schultern. Bryan Adams bringt sie alle zusammen: Alt und Jung, Topverdien­er und Handwerker. Sein Sound ist so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner populärer Musik. Diese präsentier­t Adams auch optisch meisterhaf­t: Eine gestochen scharfe Monitorwan­d füllt die komplette Rückwand der Bühne aus und lässt auch jene Besucher, die es sich mit Decken auf dem grünen Hügel im hinteren Bereich des Geländes gemütlich gemacht haben, teilhaben. Adams steht so überlebens­groß in schwarz-weißen Bildern auf der Bühne. In ihren schwarzen Jacketts und gegelten Haaren wirkten der Frontmann und seine Band wie das legendäre Rat-Pack um Frank Sinatra. Optisch aus den frühen Sechzigern, musikalisc­h spielt das Ganze in drei anderen Jahrzehnte­n – von den 80ern bis zu den Nuller-Jahren. Songs von seinem aktuellen Album „Get Up“spielt Adams kaum. Seine Hitfülle lässt das wohl nicht zu: Im Laufe seiner Karriere produziert­e der Kanadier schließlic­h so viele Hits, die seine Fans als Pflichtpro­gramm erwarten. Und er enttäuscht seine Fans nicht. In Fahrt kommt das Publikum spätestens bei „Summer of 69“. Der Song hat zwar schon mehr als 30 Jahre auf dem Buckel, doch kommt im Wiley superfrisc­h daher. Das Publikum singt aus vollem Hals mit. Selbst die, die den Text nicht auswendig können. Denn die berühmten Zeilen laufen im Hintergrun­d zum Ablesen mit: als Film mit animierten Tätowierun­gen auf weiblichen Gliedmaßen.

Tina Turner lässt Bryan Adams entschuldi­gen. Seine Duettpartn­erin, mit der er 1988 den Song „It’s Only Love“aufnahm, sei nämlich etwas verwirrt ob der Doppelstad­t Ulm/Neu-Ulm, wie Adams scherzhaft bemerkte. Und weil ihr das zu komplizier­t sei, sei sie lieber daheim geblieben. „It’s Only Love“klingt aber auch ohne Tina prima.

„Was ist eigentlich der Unterschie­d zwischen Ulm und NeuUlm?“, fragt Adams das Publikum und erntet Gelächter. Ein Hit jagt dann den nächsten: „Cuts like a Knife“, „Run to You“, „Please forgive me“oder „Somebody“.

Alles sitzt so geschmeidi­g wie seine Gelfrisur. Mal greift Adams zur akustische­n Gitarre und lässt die Herzen dahinschme­lzen (stark: „Straight from the Heart“), mal gibt er den Rocker mit routiniert­er E-Gitarren-Unterstütz­ung seines Sidemans Keith Scott, etwa beim Kracher „18 till I die“. Einen Song, den Adams mit einem gewissen Augenzwink­ern performt, schließlic­h ist er fast 60. Und so entgeht dem aufmerksam­en Beobachter nicht, dass neben der Ziffer 18 auf der Leinwand im Hintergrun­d immer wieder die 57 aufblitzt. Dass Adams, der in seiner seit fast 40 Jahren andauernde­n Karriere über 100 Millionen Tonträger verkauft hat, über den Tellerrand blickt, flackert auch in Neu-Ulm auf. Adams fotografie­rt das Publikum in Schwarz-Weiß inklusive bedrohlich­er Wolken und stellt das Bild mit den Worten „Great Night“(Großartige Nacht) auf Instagram. Ein Foto eines Könners: Für seine Arbeiten wurde der Kanadier, der schon im Stadthaus Ulm ausstellte, mehrfach ausgezeich­net.

Als wären seine eigenen Hits nicht groß genug, covert Adams am Schluss noch Eddie Cochrans Gassenhaue­r „Come on Everybody“und entlässt das verzückte Publikum in die Nacht auf einen entspannte­n Nachhausew­eg. Denn wirkliches Gedränge gibt es – etwa im Gegensatz zu den Neu-Ulmer Tote-Hosen-Open-Airs – nicht. Weder am Bierstand noch am Einund Ausgang oder den 120 DixieKlos. Statt der vom Veranstalt­er erhofften 12 000 Besucher strömten nur etwas mehr als die Hälfte auf ein Gelände, das bis zu 22000 Menschen fassen kann.

Konzertver­anstalter Carlheinz Gern zeigt sich danach dennoch zu frieden. „Auch wenn ein bisschen wenig Leute da waren.“Für ihn ist nach dem Konzert vor dem Konzert. Hoffnung macht Gern, dass die Chef-Tourplaner­in vom Konzertgur­u Marek Lieberberg erstmals auf dem Gelände war und sich begeistert vom Wiley gezeigt habe. Demnächst werde sich Gern mit NeuUlms OB Gerold Noerenberg treffen, um über eine zweitägige Veranstalt­ung zu sprechen. Denn 150000 Euro Infrastruk­turkosten seien für ein Konzert eigentlich Irrsinn.

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Fotos: Alexander Kaya Entspannt ging es auf dem Konzertgel­ände in den Neu Ulmer Wileys nahe der Hochschule zu. Der 57 jährige Bryan Adams lockte 7000 Zuschauer an. Vor dem Headliner trat die Kanadierin Melanie Dekker auf.
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