Günzburg? Besser nicht!
Urteil Was ein Journalist über die Stadt schreibt, ohne sie zu kennen. Alt-OB Rudolf Köppler reagiert mit einem Gastbeitrag
Günzburg Das monatliche Programmheft des Deutschlandradios, einer bundesweit renommierten Hörfunk-Institution, wird auf der Rangliste der Printmedien möglicherweise nicht an erster Stelle stehen.
Gleichwohl informiert auch das Juli-Heft wiederum über das anspruchsvolle Angebot einer Senderfamilie, sodass die Erwähnung Günzburgs auf Seite 85 auch dem Ansehen unserer Stadt gewiss nicht abträglich sein dürfte. Der Beitrag löst indes keine hehren Glücksgefühle aus, wenn DeutschlandfunkMitarbeiter Christoph Sterz ihn wie folgt einleitet:
„Kennen Sie Günzburg? Nein? Macht nichts. Ich kenne diese Stadt auch nicht. Ich weiß nur, dass sie in Bayern liegt und dass ich fast dort gearbeitet hätte. Als Volontär aus Westfalen. Aber zum Glück ist es anders gekommen. Statt in Günzburg bin ich beim Deutschlandradio gelandet.“
Der Glückssucher schließt sein Dokument, in dem er in schlicht bekennender Art gesteht, eine Stadt nicht zu kennen (eine tolle Erkenntnis!), mit dem weiteren Bekenntnis, er sei froh, beim Deutschlandradio zu sein: „Sorry, liebes Günzburg, aber das hätte ich mit Dir wahrscheinlich eher nicht hingekriegt.“Treibt einem schon das zwar unbekannte, aber wohl irgendwie „liebe“Günzburg Trä- nen der Rührung ins Knopfloch, so verstärkt sich die Trauer noch angesichts der Tatsache, dass hier eine potenzielle Karriere aufgrund eigener Unwissenheit (Kant spricht von selbst verschuldeter Unmündigkeit) bis dato brachlag und entscheidende Sprossen auf der Karriereleiter damit, zumindest bisher, verfehlt worden sind.
Für Günzburgs Journalisten haben sich nämlich verdiente, weil verdienstvoll erschriebene Meriten als Ausgangspunkte für eindrucksvolle Laufbahnen erwiesen. Die Günzburger Heimatzeitung erwies sich als Karrierestart für den ehemaligen Lokalchef und heutigen AZChefredakteur Walter Roller, für seinen Stellvertreter Gerd Horseling und viele andere, die heute das Impressum der Augsburger Allgemeinen zieren. Sie alle verdienten sich ihre ersten Sporen bei der Günzburger Zeitung, einem Lokalblatt, das sich unter den Heimatzeitungen als eines der lebendigsten und als Startbahnrampe für Journalisten gezeigt hat.
Dem vielleicht sogar erfrischenden Bekenntnis des Nichtwissens des Christoph Sterz mag man wohl kaum mit dem Hinweis abhelfen, dass in Günzburg sogar ein Berliner 1970 zum Oberbürgermeister gewählt und weitere fünf Male wiedergewählt wurde. Er amtierte bis 2002, baute hier ein Zweifamilienhaus und ist noch im Kreistag aktiv, weil hierfür keine Altersgrenze gilt. Eine lebens- und liebenswerte Altstadt, das Legoland und die Qualitäten einer Kleinstadt mit Herz können nicht überall bekannt sein, die Günzburger aber zeichnen sich, wie das Beispiel des Spree-Atheners, der an die Donau kam, zeigt, durch eine Toleranz aus, die auch durch Wertungen aus Unwissenheit nicht auf die Probe gestellt wird. Wir sind es gewohnt, am Telefon gefragt zu werden: „Meinten Sie Würzburg?“
Warum dann also dieser Beitrag eben jenes Altoberbürgermeisters? Grund: Die Story enthält eine Pointe, die Herr Sterz als Mitarbeiter des Deutschlandfunks jetzt erfahren soll: Chefredakteur des Deutschlandfunks ab 1989 und dessen Programmdirektor ab 1994 war bis September 2011 Günter Müchler. Seine Karriere begann als Lokalchef der Günzburger Zeitung. Als späterer Bonner Korrespondent der Augsburger Allgemeinen gehörte er deren Zentralredaktion an. Günzburg, Augsburg, Bonn, Köln wurden zu Stationen der Laufbahn eines Journalisten, dessen Talente hier erkannt und gefördert wurden. Seine pointierten und bildkräftigen Beiträge sind noch heute in Erinnerung.
Von Günzburg konnte man also in die Chefetage des Senders aufsteigen, in dem Christoph Sterz als freier Mitarbeiter anheuerte, ohne die Vita des Mannes an der Spitze zu kennen. Vielleicht wäre Günzburg auch eine Startrampe für Christoph Sterz geworden. Das würde aber voraussetzen, noch etwas mehr über die Stadt an der Donau in Erfahrung zu bringen. Rudolf Köppler