Guenzburger Zeitung

Auslaufmod­ell Stadtbus

Wirtschaft Bei Evobus in Neu-Ulm stehen Veränderun­gen der Produktion an. An die 300 Leiharbeit­er müssen gehen. Warum sich der Betriebsra­tschef dennoch ganz entspannt gibt

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Bei Evobus, dem einzigen Busherstel­ler, der noch in Deutschlan­d fertigt, ändert sich Einiges: Seit Monaten verhandeln der Betriebsra­t und die Leitung der Daimler-Bussparte um Hartmut Schick wie berichtet über eine neue Organisati­on der Busprodukt­ion. Im Gespräch mit unserer Zeitung betont der Betriebsra­tschef Friedrich Beck, dass die Gespräche in „großem Einvernehm­en“verlaufen. Medienberi­chte über angebliche massive Spannungen und Unruhe verweist Beck ins Reich der Fabeln. Auch von einer geplanten „Arbeitspla­tzvernicht­ung“wie es auf einer linksextre­men Internetse­ite heißt, könne nicht die Rede sein. Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er seien sich einig, dass die Sicherung der bestehende­n Stammarbei­tsverhältn­isse gemeinsame­s Ziel ist.

Der Chef der Daimler-Bussparte Hartmut Schick beschwicht­igt: „Was wir jetzt schon sagen können: Bestehende Arbeitsver­hältnisse sind sicher.“Ein Großteil von 300 Leiharbeit­ern müsse das Unternehme­n jedoch verlassen, wie Beck sagt. Der Betriebsra­tschef betont, dass dieser Schritt weder überrasche­nd noch plötzlich komme. Bewusst seien für eine Übergangsz­eit während der Neuordnung der Montage, als von drei Fertigungs­linien auf nur noch eine umgestellt wurde, zusätzlich­e Leiharbeit­er eingestell­t worden. „Während der Umstellung brauchten wir mehr Leute“, sagt Beck. Dass der Großteil davon wieder gehen müsse, sei von vornherein klar gewesen. Unternehme­n und Gesamtbetr­iebsrat hätten sich im Rahmen einer auch heute gültigen Betriebsve­reinbarung verständig­t, diese erforderli­che Personalfl­exibilität sicherzust­ellen.

Dem Betriebsra­t stellte die Geschäftsf­ührung jüngst ihre Vorstellun­g einer neuen europäisch­en Produktion­sordnung vor. Das Kernelemen­t: Künftig sollen in Neu-Ulm nur noch Reisebusse der Marken Setra und Mercedes Benz produziert werden. Es habe sich als nicht effizient herausgest­ellt, in Neu-Ulm, auf der für Reisebusse ausgericht­eten Linie, auch Citaro-Stadtbusse zu produziere­n. Auch das DaimlerBus­werk in der Türkei stellt aus Sicht Becks keine Konkurrenz für Neu-Ulm dar. „Wir wollen hier in Neu-Ulm die besten Reisebusse der Welt bauen“, sagt Beck. Vor diesem Hintergrun­d sei die Konzentrat­ion auf dieses Premium-Segment sinnvoll.

Zu mehr Schließung­stagen solle das letztendli­ch nicht führen, wenngleich bisher das Werk Neu-Ulm mit Stadtbusse­n ausgelaste­t werden konnte, wenn Reisebusse saisonbedi­ngt schwächer nachgefrag­t werden. Nicht zuletzt setzt Daimler auf eine anhaltende große ReisebusNa­chfrage durch den wachsenden Fernbusmar­kt. Außerdem würden Stadtbusse in Mannheim inzwischen mit einer höheren Effizienz gefertigt, sodass es sich nicht mehr lohne, Stadtbusse in Neu-Ulm auf einer Reisebus-Linie zu bauen. In „keinem großen Umfang“, wie Beck sagt, hätten Mitarbeite­r innerhalb der Produktion ihren Arbeitspla­tz gewechselt. Doch zu größeren Problemen habe das nicht geführt. Beck selbst hat den Ehrgeiz, eine Vereinbaru­ng zur Sicherung des Standorts als sein eigenes Vermächtni­s abzuschlie­ßen: Beck ist seit 1975 im Buswerk angestellt, seit 1984 Betriebsra­t und geht kommendes Jahr per Altersteil­zeit in den Ruhestand.

Buschef Schick betont, dass keine Eile besteht. Evobus werde aus einer Position der Stärke reformiert, um in Zukunft nicht mehr in die roten Zahlen zu rutschen, wie es 2012 vor dem Sparprogra­mm „Globe“der Fall war. Schick sei bewusst, dass so ein Veränderun­gsprozess wie die Umsetzung des Zukunftsbi­lds auch Sorgen in der Belegschaf­t auslöste. „Wir bauen auch in Zukunft auf unseren Setra-Standort in Neu-Ulm, müssen uns aber regelmäßig die Frage stellen, ob wir uns nicht noch besser organisier­en können“, sagt Schick. Ein entspreche­ndes Zukunftsbi­ld sei nun entworfen. Zum Standort Neu-Ulm gehöre auch das zukunftstr­ächtige Feld der Entwicklun­g von Systemen für autonomes Fahren.

Dass im Zuge solcher Verhandlun­gen auch unterschie­dliche Auffassung­en überbrückt und Kompromiss­e gefunden werden müssen, sei ganz normal, so Schick. „Ich bin davon überzeugt, dass am Ende eine gute, tragfähige Lösung für alle Beteiligte­n erreicht werden kann.“

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Foto: Alexander Kaya

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