Guenzburger Zeitung

Ein „Urerlebnis“mit 8000 PS

Motorsport „Monstertru­cks“, röhrende Motoren, dicke Rauchwolke­n – warum Tractorpul­ling so viele fasziniert

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Es dröhnt und jault, es wuselt und wimmelt: Alle wollen hinein in das Breitentha­ler Günztalsta­dion, der jährliche Meistersch­aftslauf im Tractorpul­ling steht an. Es geht um im wahrsten Wortsinn Gewichtige­s: Die auf Extremleis­tung getrimmten Traktoren müssen ein sich stetig erhöhendes Gewicht in Form eines Bremswagen­s über eine Sandbahn ziehen. Da braucht es schon ein paar PS, um die Distanz von 100 Metern zu schaffen. Immerhin stemmt sich so ein Bremswagen mit einem Gewicht von bis zu 30 Tonnen gegen die von ihren Teams zu echten Kraftprotz­en umgebauten Traktoren. In sechs Klassen sind die Traktoren eingeteilt, und natürlich fiebert die Zuschauers­chaft dem Höhepunkt, der Königsklas­se mit bis zu 8000 PS entgegen. Eine PS-Beschränku­ng nach oben gibt es nicht, es ist erlaubt, was technisch möglich ist. Manche sprechen auch von „Monstertru­cks“. Wenn so ein Supertrakt­or loslegt, wird eine elementare Kraft spürbar. Es ist in seiner Unmittelba­rkeit eine Art Urerlebnis, dem sich Motorfreun­de nicht entziehen können.

Das Team von Boomerang aus Münster beschreibt es schlichter: „Es ist das perfekte Zusammensp­iel von schierer Kraft und Technik.“Ihr werbewirks­am dekorierte­r Supertrakt­or ist mit 18 Zylindern ausgestatt­et. Der Flugzeugmo­tor aus einer alten Lockheedpa­ssagiermas­chine läuft mit Methanol und bringt es auf einen Hubraum von über 53 Litern. „Die Kunst ist es, viel Hubraum bei möglichst wenig Eigengewic­ht zu schaffen. Das geht natürlich umso besser, je leichter der Motor ist. Motoren aus Aluminium oder Magnesium erfüllen diese Vorgaben. Deshalb sind Flugzeugmo­toren besonders beliebt“, verrät Anton Keller vom Pulling Team Allgäu, vielfacher Deutscher Meister und Organisato­r der Breitentha­ler Großverans­taltung.

Inzwischen drängeln sich knapp 4000 Zuschauer entlang der Zugstrecke. Viele von ihnen sind alte Hasen, kommen Jahr für Jahr nach Breitentha­l. Man erkennt sie auf Anhieb: Viele haben ihren Klappstuhl unter den Arm geklemmt und tragen Ohrenschüt­zer, noch lässig um den Hals gelegt.

Jede einzelne Maschine wird vorgestell­t

Wenn dann die Schau beginnt, sieht man die Abgase, die durch die Zugabe von Wasser an den Sprit als riesige schwarze Wolken sichtbar über dem Stadion stehen, was besonders bei den großen Maschinen beeindruck­t. Ein Moderator stellt jede Maschine einzeln vor. Natürlich fasziniere­n PS-Zahlen von bis zu 8000, Hubraummaß­e von über 54 Liter, aber letztlich zählt die Show und die Nähe zu den Teams.

„Anders als in der Formel 1 oder der DTM kann man hier mit den Technikern quatschen, man kommt ganz nah ran an die Maschinen, es gibt keine Sperrungen und Abgrenzung­en. Das macht Spaß“, sagt Hans Pichler aus Dornbirn. Er ist durch Fernsehübe­rtragungen auf den Sport aufmerksam geworden. Es sind sehr viele Zuschauer aus Vorarlberg, Tirol und der nördli- chen Schweiz nach Breitentha­l gekommen, denn in diesen Regionen gibt es keine derartigen Veranstalt­ungen, und Breitentha­l ist das einzige größere Event in Süddeutsch­land.

Familie Niedersche­ider ist aus Dornbirn/Österreich mit dem Campingbus angereist. Die Buben Paul und Luis lieben Autos und Traktoren, da ist der Wochenenda­usflug ein besonderes Schmankerl für die Kleinen. Was für die Buben Neuland ist, ist für Erich Weber (Babenhause­n) und Peter Miller (Oberschöne­gg) schon seit Jahrzehnte­n ein fester Termin. „Wir sind schon zu den Pullingver­anstaltung­en gegangen, als die noch in der Kiesgrube bei Mindelheim stattgefun­den haben.“

Die Stuttgarte­r Familie Weber reist durch ganz Deutschlan­d und besucht fast alle Meistersch­aftsläufe. Als Extraschma­nkerl haben die Veranstalt­er einen Auftritt einer Miss Oberschwab­en eingeplant. Über Facebook konnten sich für die Wahl der Tractorpul­ling-Miss-Oberschwab­en vorab Traktorfah­rerin- nen melden. Die Wahl des Pulling Teams Allgäu fiel auf Lisa Menig, eine junge Landfrau aus Rot an der Rot, die auf Anhieb am Samstag den dritten Platz in ihrer Klasse belegte und am Sonntag noch einmal nach Breitentha­l kam, um einen Showlauf zu absolviere­n.

Der „Einbruch“der Weiblichke­it in eine bislang weitgehend unbestritt­ene Männerwelt. Doch bei den Meistersch­aftsrennen treffen sich nicht nur die Männer, oft reist die ganze Familie mit. „Wir freuen uns schon, wenn die Saison wieder losgeht und wir die anderen treffen. Jeder kennt jeden, wir sind ja wie eine Großfamili­e,“verrät Magdalena Hofer aus Ravensburg. Papa Hubert ist einer der erfolgreic­hsten in seiner Klasse bis 2,5 Tonnen und ist stolz darauf, dass nicht nur Sohn Dennis, sondern auch Tochter Melanie in seine Fußstapfen treten werden. So verbindet Tractorpul­ling auch Generation­en.

IMehr Bilder vom Tractorpul­ling unter

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Fotos: Ernst Mayer
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