Den Strom bestellt man mit dem Handy
Emmas „Kreativer Schönheitssalon“ist eine gute Adresse für Frauen und Männer, die etwas für ihr Aussehen tun wollen. Die Lage ist nicht ganz optimal, gewiss. Der Salon liegt eine knappe Flugstunde von Kenias Hauptstadt Nairobi entfernt am Rand des staubigen kleinen Örtchens Talek. Die Straßen dort sind nicht geteert. Esel, Ziegen und Hunde laufen frei herum. Mitunter verirrt sich auch eine Antilope hierher. Nur wenige Meter vom Salon entfernt beginnt die Savanne.
Doch das Angebot der gelernten Friseurin Emma Kinyonjui ist vielseitig: Man kann sich die Haare schneiden oder flechten lassen, man kann sich Dreadlocks zulegen, wie sie auch Emma trägt, und es gibt Massage, Pediküre, Maniküre. Das volle Wellnesspaket, und das mitten im Naturschutzgebiet Masai Mara, das sich an den in Tansania gelegenen Serengeti-Nationalpark anschließt. Im Umkreis von 120 Kilometern leben Elefanten, Büffel und große Raubkatzen, aber es gibt keine größeren Städte und auch keine öffentliche Elektrizitätsversorgung.
Emma ist stolz. Man hört es und man sieht es. Denn die junge Salonbesitzerin hat ihren zumeist weiblichen Kunden seit kurzem einiges zu bieten: eine Standtrockenhaube und ein Fußmassagegerät und einen Fernseher, auf dem Musikvideos laufen. „Der Umsatz ist gestiegen“, sagt sie mit zufriedenem Strahlen. Auch wenn sie keine Zahlen nennen will: Ihre Investitionen haben sich bezahlt gemacht.
Vor kurzem noch war alles ganz anders. „I had no power“, sagt die aus dem Raum Nairobi zugezogene junge Frau und zuckt mit den Schultern. „Ich hatte keine Energie.“Elektrisches Licht gab es zwar, aber an Großgeräte wie die Trockenhaube war nicht zu denken. Doch jetzt kommt ihr Laden in Schwung. Heute ist Markttag in Talek, da rührt sich sogar mehr als sonst.
Die Stromversorgung auf dem Land ist ein großes Problem in Kenia – und ein Entwicklungshemmnis. Wie in vielen Staaten der Dritten Welt ist die Kluft zwischen Stadt und Land stark ausgeprägt. Im geschäftigen Zentrum der Drei-Millionen-Stadt Nairobi, zwischen Hochhäusern und Verkehrsstau, lebt es sich fast wie in einer westlichen Metropole. Auf dem Land dagegen sehen die Menschen auf ihren Smartphones, was ihnen alles entgeht. Und so kommt es, dass die Großstädte weiter Menschen anziehen – obwohl es viele nur bis in die Slums am Stadtrand schaffen.
70 Prozent der Landbevölkerung Kenias sind nicht ans Stromnetz angeschlossen. Das will die Regierung unter „Solar-Hybrid“. Bestellt und bezahlt wird die Elektrizität von den Kunden im Voraus mit dem Handy.
Jetzt blüht der Marktflecken mit seinen 1500 Einwohnern richtig auf: 45 Geschäfte sind an die Stromversorgung angeschlossen, bei 200 Privatkunden wurden Zähler installiert. Neue Geschäftsideen und Arbeitsplätze entstehen. So bietet der Apotheker Joshua Saitoti seinen Kunden jetzt einen weiteren Service an: Sie können bei ihm für wenig Geld ihr Smartphone aufladen – und sich nebenbei über Medikamente informieren oder sich die Wartezeit vor dem Fernseher vertreiben. In der Schweißerei von Fatuma Aden werden metallene Türgitter neuerdings mit einem professionellen Winkelschleifer bearbeitet: Das geht schneller und die Besitzerin kann mehr Aufträge annehmen. Und noch ein Beispiel: Die Bar in einer Seitenstraße hat jetzt die ganze Nacht geöffnet.
Das Inselstromnetz in Talek wird von einer privaten Gesellschaft betrieben – ein Novum für Kenia. „Wir wollten die Sicherheit von Privatbetreibern testen und demonstrieren“, sagt Projektleiterin Jasmin Fraatz von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Das scheint gelungen. Gezeigt hat sich auch, dass die Kunden die Tarife akzeptieren und dass sich gleichzeitig die Investitionen refinanzieren lassen. Alleine im Bezirk Narok, zu dem Talek gehört, sind jetzt 20 weitere Solar-HybridDorfstromanlagen konkret in der Planung.
Jasmin Fraatz, die deutsche Expertin, arbeitet im Auftrag des Berliner Entwicklungsministeriums, das dieses Projekt mit Kenias Ener-