Wo Karten und Puppen tanzen
Bregenz Projektionen sorgen bei „Carmen“und „Moses in Ägypten“für Zauber. Erstmals bietet das Festival-Programm wieder Schauspiel
Und wieder soll eine schöne Frau die Männer am Bodensee verzaubern und sie in todbringende Leidenschaft treiben. Nach der chinesischen Prinzessin Turandot betritt heuer die spanische Fabrikarbeiterin Carmen die Seebühne in Bregenz, auf der sie in diesem Sommer 28 Mal den verliebten Don José verstößt und furchtlos ihre Unabhängigkeit verteidigt. Unter der Regie des Dänen Kasper Holten steht der unbedingte Freiheitsdrang der Heldin im Mittelpunkt von Georges Bizets Oper (Premiere 20. Juli). Im großen Saal des Festspielhauses wird derweil biblischer Stoff verhandelt. Die drei Aufführungen von „Moses in Ägypten“von Gioachino Rossini sind bereits ausverkauft.
Die Seebühne für Bizets „Carmen“ist fast schon Gegenentwurf zur Turandot-Kulisse der vergangenen zwei Jahre: Wo damals eine monumentale, orange leuchtende Mauer den Blick auf den See verstellte, hängen nun vergilbte Spielkarten zwischen Wasserspiegel und Himmel. Zwei aus dem See ragende Hände scheinen sie in die Höhe zu werfen. Bühnenbildnerin Es Devlin, die auch für Stars wie Beyoncé, U2 und Adele arbeitet, hat sich das Kartenspiel ausgedacht – oder besser: Es hat sich ihr aufgedrängt. Und zwar in einem Moment der Verzweiflung: Mit Regisseur Holten brütete sie über Souvenirs aus Sevilla in der Hoffnung auf Inspiration für die Kulisse. Als die zündende Idee ausblieb, warf Devlin entnervt einen Satz Karten in die Luft. „In dieser Geste haben wir etwas Symbolhaftes gesehen“, sagt die Britin.
Die insgesamt 39 Spielkarten, die schon ohne Oper dynamisch wirken, kommen während der Inszenierung richtig in Bewegung: Durch Projektionen ändern sie Farben und Bilder, drehen sich, tanzen, deuten mysteriöse Botschaften an.
Projektionen spielen auch bei der Inszenierung von „Moses in Ägypten“eine wichtige Rolle. Um auf einer Opernbühne die Teilung des Meers und ein durch die Wüste ziehendes Volk zeigen zu können, lud Regisseurin Lotte de Beer das Kollektiv Theater Modern aus Rotterdam ein. In kunstvoll gestalteten Modellen von Stadt- und Wüstenlandschaften lassen die Holländer Miniatur-Menschenmassen aufmarschieren und Schlimmes von Puppen erleiden. Mit ausgefeilter Filmtechnik verweben sie diese Szenen mit dem Drama auf der Bühne.
Das Theater Modern bringt auch eine eigene Produktion nach Bregenz mit: „Der Ring in 90 Minuten“zu Musik von Richard Wagner ist zweimal zu erleben (29. und 30. Juli). Auf dem Programm steht außerdem Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“, gesungen von jungen Künstlern des Bregenzer Opernstudios (Premiere 14. August), sowie die Uraufführung von „To the Lighthouse“, einer von Zesses Seglias als Auftrag komponierte Oper, die das Bregenzer Opernatelier in den vergangenen zwei Jahren entwickelte (Premiere 16. August).
Erstmals seit einigen Jahren gibt es heuer wieder Schauspiel bei den Bregenzer Festspielen: Das MaximGorki-Theater gibt am 26. und 27. Juli „The Situation“der Israelin Yael Ronen.
Die Wiener Symphoniker haben für ihre Sommerzeit am Bodensee neben den Opern vielfältige Literatur für drei Orchesterkonzerte vorbereitet.