Paar lebt mit Baby in Messie Wohnung
Prozess Richter verurteilt Eltern zu Geldstrafen. Die Jugendgerichtshilfe verzweifelt an dem Fall
Es muss ein widerlicher Anblick gewesen sein, der sich zwei Polizisten der Polizeiinspektion Burgau bot, als sie im März dieses Jahres eine Wohnung im nördlichen Landkreis Günzburg betraten. Teilweise deckenhoch stapelte sich der Müll, Ungeziefer kroch über Fußboden und Wände. Vor der Küche häufte sich ein so hoher Berg von Windeln an, dass der Raum nicht mehr betreten werden konnte. Bis ins Treppenhaus drang der Gestank. Einer der Beamten erzählt bei seiner Aussage vor Gericht: „Meine Kollegin hat sich geweigert, die Wohnung zu betreten. Wir dachten zuerst, dadrin sei jemand gestorben.“In der Wohnung lebte ein junges Paar mit seiner damals erst sechs Monate alten Tochter. Die Polizisten waren eigentlich mit einem Haftbefehl gegen die Mutter des Kindes gekommen. Sie war zu einer Verhandlung wegen Diebstahls nicht erschienen. Doch zu dem Zeitpunkt war sie wohl aus der vermüllten Wohnung schon zu ihrem Vater gezogen.
Nun stehen beide Eltern vor dem Günzburger Amtsgericht. Ihnen wird Verletzung der Fürsorgepflicht sowie Sachbeschädigung vorgeworfen. Denn durch ihren scheinbar über ein Jahr lang anhaltenden Messie-Lebensstil haben die 21-Jährige und ihr 23-jähriger Freund nicht nur ihre kleine Tochter in Gefahr gebracht. An der Mietwohnung entstand auch ein Schaden von rund 15 000 Euro. Teppiche, Badarmaturen und Türen müssten erneuert werden, erzählt der Vermieter. Außerdem habe er zwei Mal weißeln lassen müssen, um gegen die Schimmelflecken anzukommen. Es sind Kosten, auf denen er wohl sitzenbleiben wird. Denn die Angeklagten sind beide hoch verschuldet und arbeitslos.
Dabei scheint zumindest die 21-Jährige aus geordneten Verhältnissen zu kommen. Nach der Realschule schloss sie eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau ab. Ihr Freund ist gelernter Betonbauer, kann aber aufgrund einer Allergie nicht mehr in dem Beruf arbeiten. Warum sie auch nach der Geburt der Tochter wortwörtlich im Dreck gelebt haben, diese Frage können sie Richter Daniel Theurer nicht beantworten. Seit April besucht die Frau eine psychologische Beratung, auch die Familienhilfe ist eingeschaltet.
Das mittlerweile zehn Monate alte Baby lebt nach wie vor bei den Eltern, allerdings in einer neuen Wohnung. Laut Hannes Klampfl von der Jugendgerichtshilfe sei das Mädchen trotz allem gut versorgt und gesund gewesen. Sie habe beim Kinderarzt alle vorgeschriebenen Untersuchungen und Impfungen bekommen. Dennoch sagt Klampfl: „Es ist eine unglaubliche Lethargie da, fast schon ein Desinteresse an der eigenen Problematik.“Ob der Wille zur Veränderung da ist, davon ist der Sozialpädagoge nicht restlos überzeugt. Der Fall gehe ihm sehr nahe, sagt er nach dem Prozess. Weil er ihn nicht verstehe.
Richter Theurer verurteilt die beiden zu einer Geldstrafe von je 90 Tagessätzen à 15 Euro. Beide wurden nach Erwachsenenstrafrecht abgeurteilt, obwohl zumindest für die 21-Jährige auch das Jugendstrafrecht und somit gewisse erzieherische Maßnahmen möglich gewesen wären. Das hatte auch die Staatsanwaltschaft gefordert. „Nehmen Sie die Hilfe des Amtes an“, gibt der Richter ihnen mit auf den Weg.