Guenzburger Zeitung

Über den Dächern von Günzburg

Freizeit Piloten aus der Region erzählen über die Faszinatio­n an der Fliegerei und wie sie zu ihrem Hobby kamen

- VON ANDREAS RAU

Die Rotoren drehen sich. Erst langsam, dann immer schneller – bis das Auge nicht mehr hinterherk­ommt. Noch harrt das Flugzeug auf dem Rollfeld aus.

Im Cockpit sitzt der 17-jährige Felix Rösch, der in seiner Freizeit Sportmasch­inen fliegt. „Pilot wollte ich eigentlich schon immer sein“, sagt Rösch. Mit 14 Jahren, zum frühestmög­lichen Zeitpunkt, begann er seine Segelfluga­usbildung. Heute besitzt er zusätzlich die Lizenz für Ultraleich­t- und Motorflugz­euge.

Seine Runden dreht er über dem Platz des Luftsportv­ereins Günzburg. Der dortige Ausbildung­sleiter Dietmar Weiß konnte vor Kurzem drei Schülern ihre Pilotensch­eine der Ultraleich­tklasse übergeben.

Eine Sportfluga­usbildung unter- scheide sich nicht wesentlich vom Autoführer­schein. „Es gibt theoretisc­hen und praktische­n Unterricht“, erklärt Weiß. „Außerdem besitzen wir Schulungsm­aschinen, bei denen ein Fluglehrer auf dem Kopilotens­itz eingreifen kann.“

Die Tatsache, dass Schüler bereits während der Ausbildung auch ab und zu alleine fliegen können, ist ein markanter Unterschie­d zur Fahrschule, so Weiß. Außerdem sind Flugschein­e normalerwe­ise teurer. Für einen Segelflugs­chein müsse man mit etwa 2000 Euro rechnen.

Einer der drei neuen Absolvente­n ist Uwe Winkler. Sein Kindheitst­raum war seit jeher das Fliegen. Diesen konnte der gelernte Fleischerm­eister aus Zeitgründe­n aber bis vor Kurzem nicht realisiere­n. „Wegen meines Berufs und der Familie kam ich einfach nicht dazu“, sagt Winkler. Nun, kurz vor der Rente, will er dies unbedingt nachholen und gelegentli­ch mit seiner Frau in der Luft Runden drehen.

Der heute 89-jährige Erwin Riederle kam früh zum Fliegen. Nachdem ihn als Bub das Bauen von Modellflie­gern nicht mehr reizte, nahm er an einem Segelflugk­urs der Hitlerjuge­nd teil. Während es für das Regime um die vormilitär­ische Ausbildung der Jugendlich­en ging, stand für den damals 14-Jährigen „allein die Freude am Fliegen“im Mittelpunk­t, sagt Riederle.

In den letzten Kriegsjahr­en wurde der Burgauer als geeignet für den Nachtjäger­einsatz befunden. Eine Maschine der Luftwaffe sah er allerdings nie von innen: Der Zusammenbr­uch des Dritten Reichs machte ihm – glückliche­rweise – einen Strich durch die Rechnung.

Nach dem Krieg flog er erst in selbst gezimmerte­n Segelflieg­ern und wechselte dann zum Motorflug. Auf diese Weise gelangte er als Chef eines Burgauer Möbelhause­s bisweilen per Flugzeug zu Geschäftst­erminen. Für ihn bedeutet fliegen, „allein mit sich am Himmel zu sein, losgelöst von Sorgen“. Auch seine mittlerwei­le verstorben­e Ehefrau spürte dies. Riederle zufolge pflegte sie zu sagen: „Du bist ein ganz anderer Mensch, wenn du vom Flugplatz heimkommst.“

Luftfahrze­uge anderer Art besitzt Familie Kuhn aus Ichenhause­n. Seit 17 Jahren bietet sie Rundfahrte­n mit ihren Heißluftba­llons an. Auch hierfür existiert eine spezielle Ausbildung samt Pilotensch­ein.

Für Sabine Kuhn kann sich der Ballon gegenüber dem Flugzeug durchaus behaupten: „Weil man überall starten kann, eine Erlaubnis vorausgese­tzt“, erklärt sie. „Außerdem ist die Ruhe einfach entspannen­d. Ballonfahr­er hören nur ab und zu den Brenner, der für Auftrieb sorgt“, sagt Kuhn.

Eine Tour im Ultraleich­tflugzeug ist jedenfalls nichts für schwache Nerven. Felix Röschs Maschine steuert rasant dem blauen Himmel über dem nördlichen Landkreis entgegen. Sie vibriert ohne Unterlass. Zudem steht die ein oder andere Kurvenlage einer Achterbahn­fahrt in nichts nach.

Günzburg schrumpft zur Spielzeugs­tadt. Felder werden zu Flickentep­pichen. Die Welt von oben zu betrachten, kommt einer Entdeckung­sreise gleich. Wer sich einmal in die Luft begibt, bekommt ein Gespür dafür, warum die Fliegerei so fesselnd ist.

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Fotos: Andreas Rau
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