Über den Dächern von Günzburg
Freizeit Piloten aus der Region erzählen über die Faszination an der Fliegerei und wie sie zu ihrem Hobby kamen
Die Rotoren drehen sich. Erst langsam, dann immer schneller – bis das Auge nicht mehr hinterherkommt. Noch harrt das Flugzeug auf dem Rollfeld aus.
Im Cockpit sitzt der 17-jährige Felix Rösch, der in seiner Freizeit Sportmaschinen fliegt. „Pilot wollte ich eigentlich schon immer sein“, sagt Rösch. Mit 14 Jahren, zum frühestmöglichen Zeitpunkt, begann er seine Segelflugausbildung. Heute besitzt er zusätzlich die Lizenz für Ultraleicht- und Motorflugzeuge.
Seine Runden dreht er über dem Platz des Luftsportvereins Günzburg. Der dortige Ausbildungsleiter Dietmar Weiß konnte vor Kurzem drei Schülern ihre Pilotenscheine der Ultraleichtklasse übergeben.
Eine Sportflugausbildung unter- scheide sich nicht wesentlich vom Autoführerschein. „Es gibt theoretischen und praktischen Unterricht“, erklärt Weiß. „Außerdem besitzen wir Schulungsmaschinen, bei denen ein Fluglehrer auf dem Kopilotensitz eingreifen kann.“
Die Tatsache, dass Schüler bereits während der Ausbildung auch ab und zu alleine fliegen können, ist ein markanter Unterschied zur Fahrschule, so Weiß. Außerdem sind Flugscheine normalerweise teurer. Für einen Segelflugschein müsse man mit etwa 2000 Euro rechnen.
Einer der drei neuen Absolventen ist Uwe Winkler. Sein Kindheitstraum war seit jeher das Fliegen. Diesen konnte der gelernte Fleischermeister aus Zeitgründen aber bis vor Kurzem nicht realisieren. „Wegen meines Berufs und der Familie kam ich einfach nicht dazu“, sagt Winkler. Nun, kurz vor der Rente, will er dies unbedingt nachholen und gelegentlich mit seiner Frau in der Luft Runden drehen.
Der heute 89-jährige Erwin Riederle kam früh zum Fliegen. Nachdem ihn als Bub das Bauen von Modellfliegern nicht mehr reizte, nahm er an einem Segelflugkurs der Hitlerjugend teil. Während es für das Regime um die vormilitärische Ausbildung der Jugendlichen ging, stand für den damals 14-Jährigen „allein die Freude am Fliegen“im Mittelpunkt, sagt Riederle.
In den letzten Kriegsjahren wurde der Burgauer als geeignet für den Nachtjägereinsatz befunden. Eine Maschine der Luftwaffe sah er allerdings nie von innen: Der Zusammenbruch des Dritten Reichs machte ihm – glücklicherweise – einen Strich durch die Rechnung.
Nach dem Krieg flog er erst in selbst gezimmerten Segelfliegern und wechselte dann zum Motorflug. Auf diese Weise gelangte er als Chef eines Burgauer Möbelhauses bisweilen per Flugzeug zu Geschäftsterminen. Für ihn bedeutet fliegen, „allein mit sich am Himmel zu sein, losgelöst von Sorgen“. Auch seine mittlerweile verstorbene Ehefrau spürte dies. Riederle zufolge pflegte sie zu sagen: „Du bist ein ganz anderer Mensch, wenn du vom Flugplatz heimkommst.“
Luftfahrzeuge anderer Art besitzt Familie Kuhn aus Ichenhausen. Seit 17 Jahren bietet sie Rundfahrten mit ihren Heißluftballons an. Auch hierfür existiert eine spezielle Ausbildung samt Pilotenschein.
Für Sabine Kuhn kann sich der Ballon gegenüber dem Flugzeug durchaus behaupten: „Weil man überall starten kann, eine Erlaubnis vorausgesetzt“, erklärt sie. „Außerdem ist die Ruhe einfach entspannend. Ballonfahrer hören nur ab und zu den Brenner, der für Auftrieb sorgt“, sagt Kuhn.
Eine Tour im Ultraleichtflugzeug ist jedenfalls nichts für schwache Nerven. Felix Röschs Maschine steuert rasant dem blauen Himmel über dem nördlichen Landkreis entgegen. Sie vibriert ohne Unterlass. Zudem steht die ein oder andere Kurvenlage einer Achterbahnfahrt in nichts nach.
Günzburg schrumpft zur Spielzeugstadt. Felder werden zu Flickenteppichen. Die Welt von oben zu betrachten, kommt einer Entdeckungsreise gleich. Wer sich einmal in die Luft begibt, bekommt ein Gespür dafür, warum die Fliegerei so fesselnd ist.