Typisch Yasmina Reza
Literatur Die Französin lässt in ihrem Roman „Babylon“mal wieder die bürgerlichen Fassaden krachen. Das gelingt ihr gekonnt, routiniert und mit viel Wortwitz. Und doch schießt sie ein bisschen übers Ziel hinaus
Es gibt Schriftsteller und Schriftstellerinnen, deren erzählerisches Strickmuster erkennt man schon am Klappentext. „Als Elisabeth eine Frühlingsparty gibt, stimmt das Datum, 21. März, aber draußen schneit es.“So wird der Leser vom HanserVerlag auf den neuen Roman von Yasmina Reza vorbereitet, und da weiß er schon: Frühling, Schnee. Das kann nur eine Katastrophe geben. Weil es bei Reza doch immer so ist: Da kündigt sich etwas als harmlose Sache an. Da organisiert eine Frau mittleren Alters in einem Pariser Vorort ein kleines Fest, sorgt sich um Gläser und Stühle, solche Sachen, dann schneit es, die Gäste treffen ein, und wer weiß, was die leichten Flocken in Bewegung bringen, plötzlich stürzen die bürgerlichen Fassaden krachend zusammen. „Babylon“heißt der Roman, in dem am Ende die Leiche von Lydie, der New-Age-Therapeutin mit den wilden Locken, im Koffer aus dem Haus geschleift wird.
Typisch Yasmina Reza also. In einem ihrer berühmtesten Werke, dem Theaterstück „Der Gott des Gemetzels“, lässt die Französin zwei Ehepaare sich behacken, weil der folg, dem gelungenen Sohn – „Content Champion in einer Werbeagentur“– eine in der Welt verlorene Heldin. Eine, die sich gerne die Fotografien im berühmten Bildband „The Americans“von Frank Arnold ansieht, weil da ebenso einsame Seelen abgebildet sind, wie sie selbst eine ist. Um gegen das Alter anzugehen, bestellt sie sich gerne Kosmetikprodukte, die von Hollywoodstars angepriesen werden, ahnt über sich selbst: „Irgendwo muss ich einen kleinen Knall haben. Im Radio sprachen die Leute kürzlich über die seelische Erschöpfung der Franzosen. So schwammig der Begriff auch ist, dass die übrigen Franzosen in derselben Lage sind wie ich, hörte ich gerne.“
Dass ihre Mutter vor wenigen Tagen erst gestorben ist, erfährt der Leser eher en passant. Für Elisabeth ist auch das kein Drama, der Vorteil einer lieblosen Erziehung, aber wie Reza das formuliert, zeigt eben wieder ihren feinen Umgang mit den Worten. Es habe sich für ihr Leben wenig geändert, „abgesehen davon, dass sich eben irgendwo auf der Welt meine Mutter befand“. Womit klar wird: Natürlich geht es um Liebe, um unerwiderte, um unerwünschte, um sehnlich erhoffte.