Schnell und laut zur Stelle
Verteidigung Die Alarmrotte des Neuburger Luftwaffengeschwaders wacht über den süddeutschen Luftraum. Für die Einsätze muss geübt werden – auch über dem Landkreis Günzburg. Den entstehenden Lärm empfindet mancher als Last
Gerade saß er noch beim Abendessen, als ihn die Sirene aus der Pause aufgeschreckt hat. Nun spurtet „Suit“in voller Montur und Ausrüstung zu seinem Arbeitsplatz. Der steht in einem Schutzbau auf dem Fliegerhorst Neuburg an der Donau und erwacht zum Leben, als die Wartungscrew die externe Stromzufuhr anstellt. Die Leiter hoch, hinein ins Cockpit und dann heißt es für „Suit“: anschnallen, Triebwerke starten und eine Reihe von Checks durchführen – und das alles fast zeitgleich. Sein Arbeitsplatz ist ein Eurofighter, und der wurde als Teil der Neuburger Alarmrotte von der militärischen Luftraumüberwachung alarmiert. Nachdem die Sirene ertönte, haben „Suit“und sein Flügelmann, ein junger Oberleutnant, 15 Minuten Zeit, um ihre beiden Maschinen in die Luft zu bekommen. 15 Minuten im Extremfall von Tiefschlaf auf knapp 300 Stundenkilometer Abhebegeschwindigkeit, denn diese Alarmierungszeit ist auch nachts einzuhalten oder am Wochenende.
Bei solchen Einsätzen muss es schnell gehen, mitunter mit Überschallgeschwindigkeit. Der dabei entstehende Knall ist deutlich und weit zu hören. Außerdem muss für solche Fälle geübt werden. Manfred Enderle von der „Bürgerinitiative gegen den Fluglärm“aus dem Leipheimer Stadtteil Riedheim aber kämpft seit Jahren gegen Düsenjägerlärm über dem Ort. Er will, dass die Belastung „gerechter und intelligenter“verteilt wird und er habe sich auch an die Politik gewandt. Getan habe sich nur wenig, in den vergangenen Wochen sei wieder „schrecklicher Lärm“gewesen, was in der Kinder- und Familienregion kontraproduktiv sei. Er habe mit Familien gesprochen, die im Landkreis Günzburg Urlaub machten und nicht wieder kommen wollten, weil ihre Kinder Angst vor dem „Horror“-Lärm gehabt hätten.
Das Luftfahrtamt der Bundeswehr erklärt auf Anfrage unserer Zeitung dazu, dass es generell wenige Beschwerden gebe, aber im Juli ein Anstieg zu verzeichnen gewesen sei. Im Vergleich Juni 2016 zu Juni 2017 sei das militärische Flugaufkommen gleich geblieben, im Juli dieses Jahres habe es aber gegenüber dem Vorjahresmonat einen leichten Anstieg gegeben. Das habe jedoch nichts mit einer bestimmten Übung zu tun, sondern entspreche vielmehr den üblichen Schwankungen im militärischen Flugbetrieb wie bei- der Wetterlage oder der Verfügbarkeit der Luftfahrzeuge. Das Bundesverteidigungsministerium habe in den vergangenen Jahren „Anpassungen vorgenommen, wodurch eine Gleichverteilung des Flugaufkommens innerhalb des zeitweise reservierten Luftraums erreicht werden soll“. Der Landkreis Günzburg liege zentral unterhalb eines solchen. Die Änderungen hätten dazu geführt, dass dieses Gebiet nun ähnlich belastet sei wie eines im Bereich von Saarland und Rheinland-Pfalz oder auch Mecklenburg-Vorpommern.
Leipheims Bürgermeister Christian Konrad liegt auch nur eine einzige Beschwerde eines Einheimischen vor. Es könne sicher andere geben und er wolle das auch nicht verharmlosen, „aber unsere Armee soll uns schützen, und dann muss sie auch üben können“. Die Stadt sei früheren Beschwerden bereits nachgegangen, doch die Region liege nun einmal im Bereich eines Übungskorridors, „das kann man nicht ändern und die Flüge sind auch zeitlich begrenzt“. Er selbst habe einmal in der Wendeschleife des früheren Fliegerhorsts gewohnt, „da sind sie stundenlang geflogen. Heute ist es im Vergleich dazu paradiesisch. Früher flogen sie so tief, dass ich den Piloten erkennen konnte. Man muss schon ein gewisses Verständnis haben für die Belange unserer Armee.“Bei der Stadt Günzburg ist ebenfalls nur eine Beschwerde eines Einheimischen eingegangen, sagt Pressesprecherin Sabrina Schmidt. Das Ordnungsamt werde sich in jedem Fall beim Luftamt Südbayern erkundigen. Touristen hätten sich allerdings nicht über Fluglärm beklagt.
Wenn sie in die Luft steigen, haben die beiden Piloten der Alarmrotte oft nicht mehr Informationen als eine Richtung, in die sie fliegen sollen, und eine Flughöhe, die sie einnehmen müssen. Die Piloten in den Jagdflugzeugen wissen nicht, was auf sie zukommt. Aber sie wissen, dass es keine Übung ist. Jetzt kann alles auf sie zukommen. „Keispielsweise ne einfache Situation für uns und entsprechend steigt dann die Anspannung.“Haben sie das Ziel erreicht und identifiziert, geben sie zuerst einmal die Lage vor Ort an die Bodenstation weiter.
„Suit“heißt natürlich nicht wirklich so. Es ist sein taktisches Rufzeichen. Seinen Namen will der Hauptmann und Flugzeugführer des Taktischen Luftwaffengeschwaders 74 lieber nicht in der Zeitung lesen. Sicherheitsaspekte spielen eine Rolle. Aber auch Anfeindungen in den sozialen Medien, denen sich die Luftwaffenpiloten vermehrt ausgesetzt sehen. Dabei gehe es bei den Einsätzen um lufthoheitliche Einsätze oder um Unterstützung für ein Flugzeug in Not, erklärt Geschwaderkommodore Oberst Holger Neumann.
Fällt der Funkkontakt etwa einer Passagiermaschine aus, hat sie sich an die Route und an die Zeitvorgaben zu halten. Spätestens bei einer Abweichung wird das Nationale Lage- und Führungszentrum Sicherheit im Luftraum in Kalkar (Nordrhein-Westfalen) alarmiert. Und das schickt dann eventuell die Alarmrotte in die Luft. „Die Anzahl der Einsätze der Alarmrotte ist in den letzten Jahren relativ konstant“, erklärt Geschwaderkommodore Neumann. Einen scharfen Einsatz der Luftwaffe gebe es im Schnitt pro Monat. 2016 wurde die Neuburger Alarmrotte acht Mal gerufen. Der Kommodore betont, dass solche Flüge stets einen ernsten Hintergrund haben. „Wir sorgen für Sicherheit im deutschen Luftraum und erfüllen hoheitliche Aufgaben.“