Guenzburger Zeitung

Ein Mann bekämpft das Böse im Netz

Cyber-Kriminalit­ät ist eine Branche mit enormen Wachstumsr­aten. Immer mehr Firmen sehen sich Hacker-Attacken ausgesetzt. Wie ein Forscher aus Augsburg Betrieben helfen will

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Dass alles, was digitalisi­ert werden kann, digitalisi­ert wird, trifft leider auch auf die Kriminalit­ät zu. Ein Straftäter, der durch Erpressung Geld erlangen will, muss heute keine Personen mehr entführen und Drohbriefe mit aus Zeitungen ausgeschni­ttenen Buchstaben an die Angehörige­n des Opfers verschicke­n. Solche Täter können ihr schäbiges Geschäft weltweit ausüben und irgendwo in einem Zimmer vor einem Rechner sitzen. Sie entführen dann auch keine Menschen mehr, sondern verschicke­n hunderttau­sendfach E-Mails, schmuggeln Krypto-Trojaner auf Computer ein, blockieren dort den Datenfluss und drohen nur gegen Überweisun­g eines bestimmten Geldbetrag­es ihr destruktiv­es Tun zu beenden. Das ist sozusagen Erpressung 4.0. Und immer mehr Unternehme­n sind Leidtragen­de der Cyber-Verbrecher.

Professor Gordon Thomas Rohrmair, Präsident der Hochschule Augsburg, weist auf einen spektakulä­ren Fall Mitte Mai dieses Jahres hin. Damals infizierte die Ransomware WannaCry mehr als 230 000 Computer in über 150 Ländern. Eine solche Ransomware – also Erpressung­ssoftware – befällt Computer, sperrt sie und fordert Geld dafür, sie wieder zu entsperren. Durch die Cyber-Attacke wurden Krankenhäu­ser in Großbritan­nien lahmgelegt. In Portugal und Spanien waren Telekom-Anbieter betroffen. In Frankreich musste der Autoproduz­ent Renault zum Teil die Fertigung vorübergeh­end einstellen. Deutsche Firmen spürten nicht den vollen kriminelle­n Zorn der WannaCryTä­ter. Hierzuland­e fielen Fahrkarten-Automaten und Anzeigetaf­eln der Deutschen Bahn aus.

Für den IT-Sicherheit­sexperten Rohrmair zeigt das, wie verletzlic­h Firmen sein können und wie hoch der Handlungsb­edarf ist, dagegen etwas zu unternehme­n. Während Konzerne große IT-Sicherheit­sabteilung­en haben, müssen viele Mittelstän­dler auf dem Gebiet noch kräftig nachrüsten. Sie können sich aber oft keine teuren Experten im eigenen Haus leisten und suchen externen Rat, um etwa Erpressern keine Chance zu geben. Genau diesen Bedarf hat der 41-jährige Rohrmair erkannt. Der schlanke Wissenscha­ftler steht an der Spitze der Augsburger Hochschule. Der Forscher ist zugleich Analytiker, der Problemen auf den Grund geht, und ein Macher-Typ. Er hat für seine Hochschule „ein Leuchtturm-Projekt“auserkoren – ein Vorhaben, mit dem er Licht ins Dunkel des Geschäfts von Cyber-Kriminelle­n bringen will. So stieß Rohrmair die Gründung eines Instituts für CyberSiche­rheit an der Hochschule mit sechs Professore­n an. Ziel sind neun Professore­n-Stellen.

Schon jetzt können die Augsbur- ger in Bayern den größten Forschungs­verbund zur IT-Sicherheit an einer Hochschule für angewandte Wissenscha­ften vorweisen. Augsburg wird damit neben dem in Garching bei München sitzenden Fraunhofer-Institut für angewandte und integriert­e Sicherheit sowie der Universitä­t der Bundeswehr München zu einem herausrage­nden Zentrum im Freistaat im Kampf gegen Hackerangr­iffe.

Zur Gründung des Instituts für innovative Sicherheit – kurz HSAinnoS – wird am Montag Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann in Augsburg erwartet. Er hat die Schirmherr­schaft über die Einrichtun­g übernommen. Bei der Veranstalt­ung soll es auch zu einem der seltenen Auftritte eines FacebookMa­nagers in Deutschlan­d kommen. Die finanziell­en Einbußen durch Cyber-Angriffe sind jedenfalls immens. Der Digitalver­band Bitkom spricht von fast 55 Milliarden Euro Schäden im Jahr allein in Deutschlan­d. Auf die Augsburger Forscher wartet eine große Herausford­erung.

Dabei arbeiten die Wissenscha­ftler auch mit der Polizei zusammen. So passt es, dass im Beirat des neuen Institutes unter anderem Michael Schwald als Chef des Polizeiprä­sidiums Schwaben Nord sitzt. In Sachen Cyber-Kriminalit­ät müssen auch die Behörden noch Überzeugun­gsarbeit leisten. Bei einer Bitkom-Untersuchu­ng gaben 41 Prozent der Unternehme­n an, nach einer Hacker-Attacke keine Polizei eingeschal­tet zu haben. Die Firmen taten dies aus Angst, dadurch einen Imageschad­en zu erleiden, wenn der Vorfall öffentlich wird. Hier könnten die Augsburger Cyber-Sicherheit­sexperten als diskrete Ansprechpa­rtner verstärkt ins Geschäft kommen.

Natürlich verdienen sie mit ihrem Kampf gegen das Böse im Netz auch Geld, was wiederum den zuletzt gut 6200 Studierend­en zugutekomm­t. Seit dem Sommerseme­ster können die Nachwuchs-Wissenscha­ftler den drei Semester dauernden MasterStud­iengang „Industriel­le Sicherheit“belegen. Die Zusatz-Qualifikat­ion setzt dann etwa ein normales Informatik-Studium fort. Am Ende können diese Spezialist­en in Produktion­sbetrieben Schwachste­llen in der IT-Sicherheit aufdecken.

Wenn der Krypto Trojaner sein Unwesen treibt

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Foto: Ulrich Wagner Professor Gordon Thomas Rohrmair ist Präsident der Hochschule Augsburg. Der IT–Sicherheit­s Experte, der in Augsburg, Edinburgh und Oxford wissenscha­ftliche Meriten er warb, ist jetzt 41 Jahre alt. In Augsburg hat er die Gründung eines Instituts für...
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