Die Blasmusik Pionierin
Als Centa Theobald vor 50 Jahren zum ersten Mal zur Musikprobe kam, saßen dort nur Männer, die ziemlich skeptisch waren. Doch die hat die Allgäuerin schnell überzeugt
Buchenberg Schon jetzt hat Centa Theobald sieben Einladungen zu Weihnachtskonzerten auf dem Tisch liegen. Sie kommen von Blaskapellen aus ganz Schwaben und zeigen, wie beliebt Theobald ist. Sie soll bei diesen Konzerten Reden halten und verdiente Musikanten würdigen. Sie wird den Wünschen so gut es geht nachkommen, wird sich in den Tagen nach Heiligabend in ihr Auto setzen und bisweilen hunderte von Kilometern kreuz und quer durch die Region fahren – egal, wie rutschig die Straßen sind.
Centa Theobald will es nicht anders – und kann auch nicht anders. Als Vizepräsidentin des AllgäuSchwäbischen Musikbundes (ASM) mit seinen 800 Kapellen und 40 000 Musikern muss sie viel unterwegs sein, Feste und Konzerte besuchen, Reden halten, Wettbewerbe moderieren, Mitglieder auszeichnen, bei Sitzungen und Tagungen mitreden. Ehrenamtlich wohlgemerkt, nur für die Fahrten erhält sie ein Kilometergeld. Theobald hat sich – wie man so schön sagt – mit Leib und Seele der Blasmusik verschrieben. Und denkt nicht ans Aufhören, obwohl sie im vergangenen November 70. Geburtstag feierte. Für ihr Engagement wird sie jetzt mit der Silberdistel unserer Zeitung ausgezeichnet.
Was treibt die Frau aus dem kleinen Weiler Wirlings bei Buchenberg im Oberallgäu an? „Mir ist die Blasmusik einfach wichtig“, ant- wortet sie. Theobald möchte das kulturelle Erbe pflegen, die Tradition weiterführen. Aber die resolute Frau mit den blonden Haaren trommelt nicht nur theoretisch für ihre Sache. Nach wie vor spielt sie Klarinette in der Musikkapelle Buchenberg. Wenn mittwochs Probe ist, steht sie vom Sofa auf, nimmt ihr Instrument und fährt die zwei Kilometer hinauf nach Buchenberg.
Bisweilen habe sie keine große Lust, gesteht Theobald. Sobald sie aber die ersten Töne spielt, fallen Unlust und Müdigkeit von ihr ab. „Dann fühle ich mich wie in einer anderen Welt“, sagt sie. „Seele und Körper werden zu einer Einheit.“Diesen Sätzen schickt sie ein breites Lächeln hinterher. „Musik“, fügt sie an und tippt sich an den Kopf, „fordert mich da oben.“
Dabei war der Anfang vor 50 Jahren schwer. Als der Vater die 20-jährige Centa erstmals mit in die Blasmusikprobe nahm, saßen da nur Männer. Eine Frau in der Kapelle? Das ging für viele gar nicht. Argwohn und Skepsis schlugen ihr damals entgegen, erinnert sie sich. Aber die Tochter eines hochmusikalischen Bauern ließ sich nicht beirren. So war Centa Theobald 1966 die erste Frau in einer Allgäuer Blaskapelle. Ein historisches Ereignis und zugleich eine kleine Revolution.
Theobald gilt seitdem als Blasmu- sik-Pionierin. In den Jahren darauf polierte sie diesen Ruf auf. 1969 war sie die erste Frau in der Stadtkapelle Kempten, 1987 die erste Vorsitzende einer Blaskapelle und ab 1994 die erste Frau im Präsidium des ASM. 2000 erreichte die gelernte Kauffrau und begeisterte Bergsteigerin den Gipfel: Sie wurde zur stellvertretenden Präsidentin gewählt. „Mutter der Kompanie“nannte sie Verbandspräsident Franz Pschierer in seinem Geburtstagsglückwunsch vor neun Monaten und lobte: „Einer deiner großen Verdienste ist, dass wir heute fast 50 Prozent Frauenanteil haben.“
Pschierer weiß offenbar, was er an seiner Stellvertreterin hat. Immer wieder bittet sie der viel beschäftigte Staatssekretär, ihn bei Sitzungen in Musikgremien zu vertreten. Theobald glaubt, dass Frauen wie sie einen anderen Führungsstil pflegen als Männer, die gerne hierarchisch denken und sich ungern etwas wegnehmen lassen. „Ich dagegen setze auf das Miteinander, auf Teamarbeit“, sagt sie. „Das ist vielleicht etwas Weibliches.“
Wie sie Männer überzeugt, das hat sie längst gelernt. Sie muss ebenso selbstbewusst wie hartnäckig auftreten. Und natürlich bestens vernetzt sein, um Geld und Wohlwollen für die Blasmusik zu sammeln. Mit den wichtigen Politikern in der Region ist sie – natürlich – per Du. Übrigens nicht nur mit jenen der CSU. „Es gibt keine schwarze, grüne oder rote Musik. Es gibt nur gute oder schlechte Musik.“
Letzten Endes aber ist für Theobald nicht das Reden das Wichtigste, sondern das Tun. Deshalb wird sie auch künftig mindestens einmal pro Woche durch Schwaben kreuzen, mitunter begleitet von ihrem Mann Erich. Sie wird für die Blasmusik trommeln und sich die Sorgen und Nöte der Musikanten anhören. Und sie wird Reden halten, in denen sie auf ihre eigene Geschichte anspielt. Ihr Lieblingsspruch geht so: Was wäre eine Musikkapelle ohne Frauen? Das wäre wie ein Himmel ohne Sterne. „Dafür ernte ich immer sehr viel Beifall.“