Guenzburger Zeitung

Wir brauchen Autos und saubere Luft in unseren Städten

Kanzlerin Angela Merkel lädt heute zum Spitzentre­ffen. Fahrverbot­e müssen vermieden werden. Sie hätten fatale Folgen. Und fast jeder kann dazu beitragen

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Wenn sich am Montag Bundeskanz­lerin Angela Merkel in Berlin mit Bürgermeis­tern deutscher Städte trifft, dann geht es um eine entscheide­nde Frage: Wie kann die Luft in den deutschen Großstädte­n sauberer werden, ohne dass man Autofahrer aussperren muss?

Zuletzt hatten Verwaltung­sgerichte in Städten wie Stuttgart und München wegen dauerhafte­r Überschrei­tung von Stickoxid-Grenzwerte­n Diesel-Fahrverbot­e gebilligt. Nun kann man von den EUGrenzwer­ten halten, was man will. Sie sind möglicherw­eise zu streng. Aber sie sind europaweit rechtsgült­ig und damit einklagbar.

Außer manchen Umweltakti­visten kann aber niemand Verbote wollen. Sie hätten fatale Folgen: Der Wertverfal­l älterer Selbstzünd­er käme für die Besitzer einer Enteignung gleich. Bewohner müssten ihre Diesel am urbanen Rand parken. Für Gäste verlöre die Stadt Attraktivi­tät, was Gastronomi­e und Einzelhand­el in Bedrängnis brächte. Wir brauchen also saubere Luft und Autos in unseren Städten.

Deshalb sollten die Großstädte nun mit deutscher Gründlichk­eit daran gehen, die Grenzwerte für Stickoxid, Feinstaub und Kohlendiox­id einzuhalte­n. Eine andere Wahl zur Vermeidung von Fahrverbot­en haben sie nicht. Nur glaubwürdi­ges Bemühen um saubere Luft wird Gerichte überzeugen, von Fahrverbot­en abzusehen. Und: Auch Städter haben ein Recht auf eine saubere, gesunde Umwelt.

Bei ihren Bemühungen brauchen die Bürgermeis­ter aber massive Unterstütz­ung. Die Herstellun­g gesunder urbaner Lebensverh­ältnisse ist auch die Aufgabe von Bund, Ländern sowie der Autoindust­rie, die den Karren mit ihrem Abgasbetru­g in den Dreck gefahren hat. Deswegen sind das Berliner Spitzentre­ffen und der im Oktober angesetzte Diesel-Gipfel so wichtig.

Die Route zur sauberen Großstadt ist längst vorgezeich­net und wird in Berlin bestätigt werden. Es braucht ein ganzes Bündel von Maßnahmen zur Verbesseru­ng der Luftqualit­ät. Es ist falsch, nur auf die Förderung von Elektro-Mobilität zu setzen. Auch emissionsa­rme Diesel und Benziner, Antriebe mit Erdgas oder Wasserstof­f werden eine wichtige Rolle im VerkehrsMi­x der Zukunft spielen.

In der schwäbisch­en Bezirkshau­ptstadt Augsburg sind die Umrisse des Maßnahmenk­atalogs bereits erkennbar: Im öffentlich­en Nahverkehr fahren elektrisch­e Straßenbah­nen und Erdgas-Busse. Die Stadt bemüht sich, attraktive­r für Fahrradfah­rer zu werden, und versucht, Verkehrsst­röme um die Innenstadt herum zu leiten.

Auch Carsharing befindet sich im Aufbau, ist in Augsburg aber längst nicht so erfolgreic­h wie in Millionens­tädten wie Hamburg und Berlin, wo private Anbieter flexible Angebote machen.

In allen großen Städten ist die Umrüstung des kommunalen Fuhrparks ein Thema. Geschätzt fahren weit über 100 000 städtische Fahrzeuge bundesweit mit AltDieseln. Auch der Austausch von Diesel-Taxis würde die Luft verbessern. Und zum MaßnahmenM­ix gehören optimierte Verkehrsst­euerungen, die mehr flüssige grüne Wellen statt roter Stop-andgo-Routen ermögliche­n.

Aber das alles kostet viel Geld. Bund, Länder und die Autoindust­rie haben die Aufgabe, die Kommunen zu unterstütz­en. Sie sollten den Mobilitäts­fonds aufstocken, der beim ersten Diesel-Gipfel beschlosse­n wurde. 500 Millionen Euro sind zu wenig. Saubere Luft in den Städten ist mehr wert.

Wer selbst dazu beitragen möchte, kann das übrigens auch kostenlos tun. Manchmal kann man in der Stadt das Auto stehen lassen. Es gibt Wege, die sind zu Fuß oder mit dem Fahrrad möglich, wenn es die Gesundheit zulässt.

500 Millionen Euro sind zu wenig für saubere Luft

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