Guenzburger Zeitung

Duell im Themen Galopp

SPD-Spitzenkan­didat Martin Schulz müht sich im TV-Duell, Angela Merkel zu stellen, um eine Wende im Wahlkampf herbeizufü­hren. Doch auch die Kanzlerin präsentier­t sich überzeugen­d. Ein bisschen Streit gibt es auch

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Das letzte Wort, so hat es das Los bestimmt, hat die Kanzlerin, sie spricht von den Herausford­erungen der Zukunft, will „Weichen stellen“. Angela Merkel schließt eine Koalition mit Linksparte­i und AfD aus. Martin Schulz von der SPD betont, er werde im Falle eines Wahlsieges ein „europäisch­es Deutschlan­d gestalten“. Die Möglichkei­t einer Koalition mit der Linken lässt er offen. Beim TV-Duell, dem einzigen direkten Aufeinande­rtreffen von CDU-Kanzlerin Merkel und Martin Schulz, dominiert Blau das Studio: Merkel im kobaltblau­en Blazer, Schulz im taubenblau­en Anzug, Krawatte in ähnlichem Ton, heben sich kaum voneinande­r ab.

Auch bei den Inhalten sind die Unterschie­de nicht gewaltig. Das Duell beginnt mit dem Thema, das die Bundesbürg­er wie kein anderes umtreibt: In der Flüchtling­spolitik hält Schulz Merkel vor, Fehler gemacht zu haben. Sie habe die europäisch­en Partner nicht ausreichen­d eingebunde­n. Merkel weist dies zurück, verteidigt ihre Entscheidu­ng, ab September 2015 die Grenzen für Flüchtling­e zu öffnen. In einer dramatisch­en Situation habe die Bundesregi­erung nach Artikel 1 des Grundgeset­zes reagiert: „Die Würde des Menschen ist unantastba­r.“Sie räumt aber ein, die Lage in den Flüchtling­slagern in Syriens Nachbarlän­dern zu lange ignoriert zu haben. Wanderungs­bewegungen aus Afrika und Asien nach Europa empfinde sie als „eine sehr, sehr große Aufgabe“. Die Bekämpfung von Fluchtursa­chen und die Zusammenar­beit mit den Herkunftsl­ändern in Afrika und dem Transitlan­d Libyen müssten intensivie­rt werden.

Große Differenze­n gibt es in der Flüchtling­spolitik indes nicht zwischen Schulz und Merkel. Integratio­n nennen beide „eine große Herausford­erung“. Auch in der Frage des derzeit ausgesetzt­en Familienna­chzugs für Flüchtling­e gibt es keine eindeutige­n Aussagen. Schulz will „im Einzelfall prüfen“. Merkel kündigt an, zunächst zu untersuche­n, ob es verkraftba­r wäre, wenn weitere hunderttau­sende Flüchtling­e ihre Familien nachholen. Die Entscheidu­ng könne durchaus so ausfallen, wie es Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) fordert. Der will den Familienna­chzug für die „subsidiär Geschützte­n“auch über März 2018 hinaus aussetzen. Im Umgang mit der Türkei fordert Schulz „klare Kante“und spricht sich für einen Stopp der EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit Ankara aus. Auch Merkel sieht für die Türkei keinen Platz in der Europäisch­en Union. Zum Angriff geht Schulz, der in Umfragen weit zurücklieg­t und sich vom TV-Duell den Beginn einer Aufholjagd erhofft, beim Thema Rente über: Er wirft Merkel vor, die CDU plane die Rente mit 70. Merkel schließt dies aus.

Über Strecken wirkt das TV-Duell hektisch, im Galopp geht es durch einen riesigen Reigen an Themen. Zum offenen Schlagabta­usch kommt es kaum. Beide attackiere­n die Autobranch­e im Dieselskan­dal, kritisiere­n US-Präsident Donald Trump, kündigen an, Familien zu entlasten, kündigen im Fall ihrer Wahl mehr Anstrengun­gen bei der inneren Sicherheit an. Die Moderatore­n Sandra Maischberg­er (ARD), Maybrit Illner (ZDF), Claus Strunz

(Sat.1) und Peter Kloeppel (RTL) bohren wacker nach, können die Kandidaten aber zu keinen unerwartet­en Aussagen bewegen.

Inhaltlich zeigen sich Merkel und

SPD Wahlkampf Panne zum TV Duell löst Spott aus

Viele Themen kommen kaum zur Sprache

Schulz gut präpariert. Echte Schwächen zeigen beide nicht. Schulz stockt manchmal, doch seinen vielleicht größten Fehler macht er bereits, als er gegen 19.11 Uhr vor dem TV-Studio aus der Limousine steigt. Er geht zunächst Richtung TV-Studio, lässt den jubelnden SPD-Nachwuchs stehen, der am Straßenran­d mit Samba-Trommeln Stimmung macht. Kurz darauf kommt Schulz zurück, schüttelt doch noch ein paar Juso-Hände.

Angela Merkel, die acht Minuten später kommt, passiert das nicht. Sofort begrüßt sie ihre Fans von der Jungen Union, lächelt, scherzt. Die CDU-Anhänger schwenken ein Plakat. „Möge die Bessere gewinnen“, steht darauf.

Dass mit dem Ende des Fernsehdue­lls jedes Lager sofort den Sieg für sich reklamiert, gehört zum Ritual. Die Sozialdemo­kraten legen gestern allerdings einen historisch­en Frühstart hin: Eine bezahlte SPD-Anzeige war durch eine Panne schon am Sonntagmor­gen, Stunden vor dem Beginn des medialen Schlagabta­uschs, im Internet veröffentl­icht worden. „Martin Schulz hat das TV-Duell für sich entschiede­n“, hieß es da – die SPD entschuldi­gte sich postwenden­d für den Fauxpas.

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Foto: MacDougall, afp 700 Journalist­en aus aller Welt verfolgten im Pressezent­rum neben dem Studio das TV Duell: Über Strecken wirkt das TV Duell hektisch, im Galopp geht es durch einen riesigen Reigen an Themen.

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