Guenzburger Zeitung

„Den Schmarrn brauchen wir nicht“

Mats Hummels lieferte beim 2:1-Sieg gegen Tschechien eines seiner besten Länderspie­le. Besonders stark trat er vor allem nach dem Schlusspfi­ff auf

- VON HARTMUT SCHERZER

Prag Mit nacktem Ronaldo-Body schreitet Mats Hummels vom Platz. In der linken Hand ein zerknüllte­s rotes Trikot, im Hollywood-Gesicht ein leichtes Lächeln um den lässigen Oberlippen-Unterlippe­n-Kinnbart. Das Bild vom Abgang veranschau­licht eindrucksv­oll: Hier geht der Boss. Mochte Thomas Müller, erstmals in einem Pflichtspi­el mit Armbinde, auch noch so gestenreic­h den Kapitän und den Coach auf dem Spielfeld abgeben – die prägende Persönlich­keit an diesem trotz des 2:1-Sieges gegen Tschechien so unerfreuli­chen Prager Abends hieß Hummels, 28. Der vor Selbstbewu­sstsein strotzende Bayern-Athlet war omnipräsen­t in und nach einem seiner besten von 58 Länderspie­len. Unüberwind­liches Abwehrboll­werk, hart, aber fair, trotz einer Gelben Karte (Joachim Löw: „Mats hat keinen einzigen Zweikampf verloren.“). Intelligen­ter Spielöffne­r. Kopfball-Spezialist zum Siegtor in der 88. Minute. Chefkritik­er in eigener Sache. Wortführer in der Empörung über die Pöbler in der deutschen Zuschauer-Ecke.

Es war spannend, Hummels in den Katakomben der Eden Arena auf dem Weg durch die Mixed Zone zum Bus zu folgen und zuzuhören. Erste Station Rechte-Inhaber RTL: „Wichtiger wäre gewesen, ein besseres Spiel abzuliefer­n. Zu viele Ballverlus­te. Das war wirklich kein gutes Spiel von uns. Ein Unentschie­den wäre auf jeden Fall für Tschechien verdient gewesen.“

Zweiter Stopp Nicht-Rechte-Inhaber: Erinnerung an das vergleichb­are Tor im WM-Viertelfin­ale zum 1:0-Sieg gegen Frankreich nach einem Freistoß von Toni Kroos. Hummels: „Es war mit Blicken so ausgemacht. Mit Emre (Can) habe ich kurz geredet, dass er den Weg freiblockt, was er hervorrage­nd gemacht hat. Von meinen nun fünf Toren in der Nationalel­f hat Toni vier aufgelegt.“

Letzter Halt vor den Journalist­en der Print-Medien: „Es war ein ziemlich wildes Spiel. Ganz untypisch für uns. Wenig Spielkontr­olle. Spätestens der übernächst­e Pass landete wieder bei einem Tschechen. Wir dürfen auch nicht so tun, als hätten wir viele junge Spieler dabei gehabt. Wie viele waren es denn? Brand, Stindl, Werner. Josh (Kimmich) ist ja schon ein alter Hase.“

Endlich sprach einer das brisante Thema des Abends an, das skandalöse Danebenben­ehmen eines Teils deutscher Zuschauer, die Störungen während der Nationalhy­mnen, die Pfiffe während der Schweigemi­nute, die „Scheiß“-Schmähunge­n, „Hurensohn“-Sprechchör­e gegen Timo Werner, die Nazi-Parolen. Hummels schien auf seinem Gang durch die Stationen geradezu darauf gewartet zu haben, dass einer fragt, warum die Mannschaft nicht dem üblichen Ritual gefolgt sei, sich mit dem Gang zum deutschen FanBlock zu verabschie­den, sondern direkt in die Kabine gegangen war.

„Katastroph­e. Ganz schlimm“, entrüstete sich Hummels spontan. „Wir Spieler haben beschlosse­n, dass keiner dorthin geht. Die Rufe waren so weit daneben, dass es nicht mehr zur Diskussion stand. So’n Schmarrn brauchen wir auf keinen Fall. Wir distanzier­en uns komplett. Es tut uns leid für die, die das nicht gerufen haben.“Mats Hummels redete sich derart in Rage, dass ihm die abschließe­nde Frage nach seiner großartige­n Leistung in einem schwachen Spiel irgendwie deplatzier­t schien: „War okay so.“

Für die Partie heute Abend in Stuttgart (20.45 Uhr/RTL) wird es eine neue Startelf mit Julian Draxler im Mittelfeld geben. „Veränderun­gen plane ich auf jeden Fall“, erklärte der Bundestrai­ner. Ob Weltmeiste­r Sami Khedira nach seiner Kniereizun­g, die einen Einsatz in Prag unmöglich gemacht hatte, eingesetzt wird, bleibt offen.

 ?? Foto: imago, Matthias Koch ?? Deutsche in Prag zündeten im Stadion Pyrotechni­k und ergingen sich in Schmähgesä­ngen sowie Nazi Parolen.
Foto: imago, Matthias Koch Deutsche in Prag zündeten im Stadion Pyrotechni­k und ergingen sich in Schmähgesä­ngen sowie Nazi Parolen.
 ?? Foto: dpa ?? Ausnahmswe­ise im Ronaldo Format, aber ansonsten ganz anders: Der 28 jäh rige Mats Hummels.
Foto: dpa Ausnahmswe­ise im Ronaldo Format, aber ansonsten ganz anders: Der 28 jäh rige Mats Hummels.

Newspapers in German

Newspapers from Germany