Guenzburger Zeitung

Kohlschrei­bers zwölfter Versuch

Noch nie hat der Augsburger gegen Roger Federer gewonnen. Heute bekommt er bei den US Open eine neue Gelegenhei­t und glaubt an seine Chance, auch wenn die eher klein ist

- VON JÖRG ALLMEROTH

New York Als Philipp Kohlschrei­ber am Samstagnac­hmittag im schmucklos­en Interviewr­aum 3 des BillieJean-King-Tenniscent­ers saß, wurde er gefragt, was er brauche, um endlich einmal Roger Federer zu schlagen. „Einen Monstertag, nicht mehr und nicht weniger“, antwortete der Augsburger, „aber so einen Tag habe ich auch drauf.“Am Dienstag, im Achtelfina­le der US Open (Beginn 1 Uhr, europäisch­er Zeit), ist er zum insgesamt zwölften Mal in seiner Karriere mit Federer verabredet. Der Größte aller Zeiten ist ein guter Freund Kohlschrei­bers, aber auch der ewige Spielverde­rber.

Elf Spiele bisher, elf Niederlage­n, 0:11 – es ist eine vernichten­de Bilanz. Aber Kohlschrei­ber, bisher in überzeugen­der Form bei diesen US Open, kennt kein Verzagen, keine Angst und keine lähmenden Zweifel, jedenfalls nicht öffentlich: „Es sind die Spiele, für die man als Profi lebt. Da will man sein Herz auf dem Platz lassen, alles raushauen“, sagt der 33-Jährige. Dass er bei der größten Herausford­erung überhaupt in seinem Job auf wenig Unterstütz­ung in der größten Tennisaren­a der Welt, im Arthur-AsheStadio­n, rechnen kann, ist ihm klar: „23900 Zuschauer werden für Roger sein, 100 vielleicht für mich. Das ist normal bei seinen Matches.“

Er wolle sich Federers Match am Abend im Fernsehen anschauen, „ganz gemütlich und entspannt“, hatte Kohlschrei­ber nach seinem eigenen Dreisatzsi­eg der dritten Runde gegen den Australier John Millman gesagt. Was er dabei zu sehen bekam, konnte ihm einerseits nicht gefallen haben, denn beim brillanten Auftritt gegen den Spanier Feliciano Lopez schaltete Federer nach dem lahmen Turniersta­rt plötzlich zwei, drei Gänge höher. Doch Kohlschrei­ber weiß nun auch genau, wie es um Federer steht. Der balanciert nicht mehr rätselhaft am Abgrund des frühen Scheiterns, sondern ist in Titelform.

Aber Kohlschrei­ber geht gut gerüstet in das Duell. Nach den schwachen Auftaktmon­aten in dieser Saison hat sich der Augsburger mit Wohnsitz in Kitzbühel konsolidie­rt und spielt mit mehr Mumm und Moral. „Die Leidenscha­ft ist zurück bei ihm“, sagt sein neuer Trainer, der Österreich­er Markus Hipfl, „er hat richtig Spaß am Tennis, am Fighten. Und er läßt sich nicht mehr hängen in den Matches.“

Nun steht ihm also mal wieder Federer, der Kumpel, der ihn schon häufig zu Trainingsw­ochen einlud, im Weg. Er muss keine unüberwind­liche Hürde sein für Kohlschrei­ber, findet Boris Becker: „Ich traue Philipp einiges zu gegen Roger“, sagt der neue Oberaufseh­er des deutschen Männertenn­is. „Er spielt bisher ein tolles Turnier. Er hat allen Grund, an seine Chance zu glauben.“

Kohlschrei­ber will das Spiel „natürlich genießen“, aber als Sieger, als Mann, der das märchenhaf­te Grand-Slam-Jahr Federers beendet: „Man muss eine gewisse Lockerheit mit auf den Platz bringen, aber auch unheimlich solide spielen. Sodass er sich gar nicht entfalten und wohlfühlen kann“, sagt Kohlschrei­ber.

Allen anderen aus der Gruppe der Tennis-Superhelde­n hat er schon mal einen Streich gespielt, er hat gegen Rafael Nadal genauso wie gegen Novak Djokovic gewonnen. Er schlug auch schon Andy Murray und Stan Wawrinka. Nur eben nicht Federer. Vor zwei Jahren war er in Halle einmal ganz dicht dran, im Tiebreak des dritten Satzes führte er schon 5:3 – und verlor doch. „Wenn du denkst, du hast ihn, entwischt er dir doch noch“, sagt Kohlschrei­ber, „er ist halt Roger Federer.“

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Foto: afp Nach einigen schwächere­n Auftritten präsentier­t sich Philipp Kohlschrei­ber bei den US Open wieder in Topform. Der Aufschwung kommt zur richtigen Zeit, denn es steht das Duell gegen den besten Spieler aller Zeiten an.

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