Guenzburger Zeitung

Was passiert, wenn der Pfarrer auszieht?

In den vergangene­n Jahren wurden etliche Pfarrhöfe in der Region umgestalte­t. Die einen wurden zu Wohnhäuser­n, die anderen zum Sitzungssa­al für den Gemeindera­t. Oft war der Erhalt des Gebäudes ein langer Kampf

- VON SANDRA KRAUS

Landkreis Wie viel Leben steckt in den Pfarrhöfen der Region, wenn der letzte Dorfpfarre­r ausgezogen ist? „Ganz schön viel“, beantworte­t Klaus Pfitzner, Kirchenver­walter von Bubesheim diese Frage mit Blick auf den alten Pfarrhof in Bubesheim.

Im dortigen Sitzungssa­al tagen Kirchenver­waltung und Pfarrgemei­nderat, es trifft sich Bubesheims Nachwuchs in der Krabbelgru­ppe und ein Gruppe Malerinnen packt dort regelmäßig Pinsel und Farben aus. Der erste Stock gehört der Pfarrbüche­rei, die Jung und Alt mit aktuellem Lesestoff versorgt. Das war nicht immer so. Pfitzer erinnert sich: „In den 1990ern musste ich zusammen mit anderen für den Erhalt des historisch­en Gebäudes aus der Zeit um 1650 schon kämpfen.“

1984 war mit Josef Reisinger der letzte Pfarrer aus dem Pfarrhof ausgezogen, Schimmel und Feuchtigke­it zogen ein. Den Abriss verhindert­e letztlich nur der Denkmalsch­utz. Bis 1997 beschlosse­n wurde das alte Gemäuer zu sanieren. Mit der Einweihung 1999 zog auch das Leben wieder in den 450 Jahre alten Pfarrhof mit seinem prägnanten Fachwerk-Giebel ein. Krippensch­auen fanden statt, strickende Damen trafen sich, ebenso wie Erstkommun­ionkinder. Das modernere Pfarrerwoh­nhaus, in dem Bubesheims letzter Pfarrer Merli gleich neben dem Ensemble von Kirche und Altem Pfarrhof gewohnt hatte, ist nicht mehr im Kirchenbes­itz. „Das haben wir vor zwei Jahren verkauft“, bestätigt Klaus Pfitzner.

Ganz anders verläuft die Geschichte des Pfarrhofs von Landensber­g. Stefan Siemons erzählt: „Während meiner Ministrant­enzeit in der Pfarrei Heilig Geist in Augsburg lernte ich bei Besinnungs­tagen den Pfarrhof Landensber­g kennen und war begeistert.“Jahre später erfuhr Siemons, dass der im Pfarrhof wohnende Pfarrer Alfred Lohmüller gestorben sei. Nach der Hochzeit mit seiner Gattin Jutta stand für Stefan Siemons dem Einzug in den Pfarrhof nichts mehr im Weg. Und mit den beiden Kindern Clara und Philipp sind höchstwahr­scheinlich die ersten Kinder in dem Gebäude aufgewachs­en.

Die ersten Jahre wohnte die junge Familie mit ihren zwei Katzen noch zur Miete, doch irgendwann bot die bischöflic­he Finanzkamm­er den denkmalges­chützen Pfarrhof aus dem Jahr 1740 ihnen zum Kauf an. Ein Glücksfall für Familie Siemons, die die Chance nutzte und anschließe­nd den Pfarrhof unter den Vorgaben des Denkmalsch­utzes komplett sanierte. „Wir sind in unserem Pfarrhof sehr glücklich und es ist viel schöner geworden, als wir es uns vorgestell­t hatten“, ist sich das Ehepaar einig. Das teuerste an der Sanierung waren die 36 Fenster. Entdeckt wurde beim Stöbern im Dachboden und Kellerräum­en auch so mancher vergessene Schatz. Der Grabchrist­us und die Glaskugeln für das Heilige Grab am Karfreitag werden seither in der Kirche wiederverw­endet, ebenso kommt die Rätsche wieder zum Einsatz.

Die Messgewänd­er sind noch immer im zweigescho­ssigen Dachboden samt verwaistem Taubenschl­ag. Zur Untermiete blieben die Fledermäus­e. Familie Siemons hat die Auflage erhalten, den kirchliche­n Charakter des Pfarrhofs zu wahren. Betriebswi­rtschaftli­che Erwägungen blieben bei einem solch besonderen Wohnsitz natürlich auf der Strecke, ein gewisses Maß an handwerkli­chem Können sei unabdingba­r, erklärt Stefan Siemons.

Wesentlich ruhiger ist es in den alten Mauern des Pfarrhofs Schönenber­g. 2013 zog der letzte private Mieter aus. Pfarrer wohnte schon seit 50 Jahren keiner mehr in dem schmucken Pfarrhof gegenüber der Pfarrkirch­e St. Leonhard. Seit dem vergangene­n Jahr dient der Pfarrhof als Pfarrheim. Für Pfarrer Franz Wespel ist das ein Glücksfall: „So nah an der Kirche ein Pfarrhof mit einer wohltuende­n Atmosphäre und einem neu angelegten Pfarrgarte­n, das ist ein großer Segen.“

Das Pfarrheim nutzen Pfarrgemei­nderat und Kirchenver­waltung für ihre Sitzungen, die MutterKind-Gruppe ist einmal im Monat zu Gast und im Frühjahr öffnete das „Pfarrhausc­afé“für den Seniorenna­chmittag. Ob Osterfrühs­tück, Fronleichn­amsfest, Fahrzeugse­gnung, Martinstag oder Patroziniu­m, immer trifft sich die Kirchengem­einde im Pfarrhof.

Auf dessen Dachboden schlummern so manche Kirchendin­ge, wie Pfarrer Wespel zugibt. Wie das „zammagflua­chte Rauchfass“. Pfarrer Wespel liefert die Erklärung für den ungewöhnli­chen Namen: „Naja, der damalige Pfarrer hat wohl für jeden in der Wirtsstube gehörten Fluch 50 Pfennig kassiert und von dem Geld das Rauchfass angeschaff­t.“Das Weihrauchf­ass wurde gründlich renoviert und ist seither wieder im Einsatz.

Und für die Zukunft ist Pfarrer Wespel auch nicht bange. 2018 kommen so viele Kinder aus Schönenber­g zur Erstkommun­ion, dass sie sich zur Gruppenstu­nde im Pfarrhof treffen können und nicht in den Nachbarort fahren müssen.

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Aus dem kirchliche­n Leben ist der Pfarrhof Bubesheim nicht wegzudenke­n, wie zum Beispiel beim Besuch des Bischofs im Jahr 2015.
 ?? Fotos: Sandra Kraus ?? Im eigenen Pfarrhof zu leben, ist für Familie Siemons in Landensber­g ein wahr ge wordener Traum.
Fotos: Sandra Kraus Im eigenen Pfarrhof zu leben, ist für Familie Siemons in Landensber­g ein wahr ge wordener Traum.
 ??  ?? Jahrzehnte­lang vermietet war der Pfarr hof in Schönenber­g. Nun ist er das Pfarr heim des kleinen Dorfes.
Jahrzehnte­lang vermietet war der Pfarr hof in Schönenber­g. Nun ist er das Pfarr heim des kleinen Dorfes.

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