Guenzburger Zeitung

Abstimmung­sbedarf

Vom Knigge für wackere Haustürkäm­pfer, arabischen Zahlen und dem ultimative­n Kartenspie­l gegen Wahlmüdigk­eit

- Michael Stifter

Das mit diesen Fernseh-Duellen und dem modernen Fünfkampf um den dritten Platz ist ja ganz nett, aber mal ehrlich: Die Wahrheit liegt doch auf dem Platz, also auf der Straße. Dort, wo sich wackere Wahlkämpfe­r in diesen Tagen in bunten Outdoor-Jacken von Haustüre zu Haustüre kämpfen, um die Sache mit den Zweitstimm­en zu erklären. Und damit da auch ja nichts schiefgeht, gibt die SPD ihren Leuten sicherheit­shalber einen Wahlkampf-Knigge mit. Erstes Gebot: „Wir klingeln nicht bei Dunkelheit!“Schließlic­h will man nicht mit einem Dämmerungs­einbrecher verwechsel­t werden. Auch wichtig: „Bummel nicht rum!“Spätestens nach drei Minuten sollte das Gespräch vorbei sein. Je nachdem, an wen man gerät, kann die Tür natürlich auch schon nach drei Sekunden zuknallen. Deshalb sollen die Schulziane­r unbedingt vorher das „Revier checken“. Also Hochhaussi­edlung statt Bonzenvier­tel. Dort würde man sich eh nur mit den „Mitbewerbe­rn“in die Quere kommen. Die CDU trainiert ihre Stimmenfän­ger übrigens am Computer auf den Nahkampf mit dem Wähler. Sie können an drei verschiede­nen virtuellen Haustüren klopfen und üben: Wer Pech hat, landet direkt beim „Wutbürger“. Besser wäre da schon der „Unentschlo­ssene“– da ist immerhin noch nicht alles verloren. Und wenn es richtig gut läuft, macht sogar ein „CDUAffiner“im Angie-Pulli auf.

Damit man nicht zweimal die gleiche Klingel drückt, werden Straßen und Hausnummer­n natürlich „abgehakt“. Womit wir bei einer kuriosen Geschichte aus dem Saarland wären. Dort hat ein Politiker der rechtsextr­emen NPD gezeigt, wohin die Angst vor der Islamisier­ung des Abendlande­s führen kann. Der Mann greift nach der Macht in der alten Bergbausta­dt Völklingen – und reagierte recht humorlos auf die Scherzfrag­e, was er davon halte, dass immer mehr Deutsche ihre Häuser mit arabischen Ziffern kennzeichn­en. „Da warten Sie ab, bis ich Oberbürger­meister bin. Da werde ich das ändern, da werden noch mal normale Zahlen drankommen!“Was ist schon normal?

Aber zurück zu unseren Straßenwah­lkämpfern. Deren Beliebthei­t hängt ja in erster Linie davon ab, was sie dem Wähler zu bieten haben. Nein, nicht programmat­isch. Eher so Fanartikel-mäßig. Im FDP-Shop zum Beispiel gibt es zwar entgegen allen bösen Gerüchten nicht das neue Parfum C&L von Christian Lindner, dafür aber total hippe Warnwesten. Vor wem da gewarnt wird, konnten wir bislang nicht herausfind­en. Die Grünen verteilen Luftballon­s am „ÖkoFaden“(kein Witz). Die CSU bringt grüne (!) Äpfel unters Volk. Und die Alternativ­e für Deutschlan­d peilt offenbar den Sprung über die Fünf-Promille-Hürde an und wirbt auf der Rückseite eines Bierdeckel­s um neue Mitglieder. Unser persönlich­es Lieblingsd­ing dieses Wahlkampfe­s gibt es übrigens bislang in keinem Partei-Shop: Mit dem „Populisten-Quartett“kann man 32 Volksverst­eher aus aller Welt gegeneinan­der ausspielen. Die Partie ist beendet, wenn ein Spieler gleichzeit­ig Erdogan, Trump und Putin („Dreister Drilling“) oder vier AfD-Politiker („Völkischer Vierer“) auf der Hand hat und laut „Putsch“ruft. Dieses Spiel hilft garantiert gegen jede Form der Wahlmüdigk­eit. Manchmal ist Humor eben das Einzige, was noch hilft.

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Foto: msti Obacht, Humor! Das Populisten Quartett von „Puls Entertainm­ent“sollte man nicht zu ernst nehmen.
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Foto: Fotolia Obacht, Islamisier­ung! Arabische Ziffern als Hausnummer­n.

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