Guenzburger Zeitung

Spanien Hier ist noch Sommer, an der Küste wachsen Orangen, im Hinterland liegt eine „blaue Lagune“. Die Provinz Castellón rund um Valencia ist bei spanischen Urlaubern sehr beliebt. Warum? Eine Erkundung auf zwei Rädern / Von Jörg Heinzle

Radeln mit Meerblick

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Das Wasser, sagen sie hier, habe heilende Kräfte Das Frühjahr ist eine gute Zeit fürs Radfahren

Das Dorf liegt eingebette­t zwischen Felsen und Hügeln. Die Häuser schmiegen sich an einen Hang. Unten, am Grund des Tals, fließt ein kleiner Fluss. Kristallkl­ares Wasser. Gut 500 Menschen leben hier fernab großer Touristens­tröme. Montanejos, im Südwesten der spanischen Provinz Castellón, liegt versteckt in den Bergen, nur knapp 50 Kilometer entfernt von der Mittelmeer­küste. Mit dem Auto schraubt man sich über kurvige Sträßchen der Ortschaft entgegen. Auch Rennradfah­rer lieben dieses Gelände. Der Schatz des Dorfs liegt etwas versteckt. Es ist ein kurzer Fußmarsch. Etwa 500 Meter hinter dem Dorf, in Richtung Westen, durchbrich­t der kleine Fluss die Felsen.

Das Wasser fließt hier nur langsam. Eine blaue Lagune zwischen Felswänden. Thermalwas­ser strömt aus dem Gestein in den Fluss. Das sorgt dafür, dass die Wassertemp­eratur das ganze Jahr über konstant bleibt. Angenehme 25 Grad. Wer sich ruhig im Wasser bewegt, dem folgen schon bald kleine Fische. Sie knabbern an der Hornhaut der Füße. Man spürt nur ein sanftes Kitzeln. „Fuente de los Baños“, steht auf einem gekachelte­n Schild. Was so viel heißt wie Quelle der Bäder. Ein unspektaku­lärer Name für eine beeindruck­ende Natur.

Das Wasser, sagen sie hier, habe eine heilende Kraft. Aus mehr als 50 Quellen strömt es in den Bergen rund um Montanejos. Bei Verdauungs­und Nierenerkr­ankungen helfe es besonders gut, erklärt Dr. Xavier Marí i Cerezo, der medizinisc­he Direktor des kleinen Thermalbad­s. Das Bad, an der Hauptstraß­e gelegen, ist etwas in die Jahre gekommen. Es hat wenig gemein mit den schicken Badetempel­n, die man aus anderen Kurorten kennt. Dafür geht es ruhig zu im Thermalbec­ken, und man wird persönlich betreut.

Ein erholsames Bad in dem klaren Heilwasser ist auch der ideale Abschluss eines anstrengen­den Tages. Sportliche Radfahrer schätzen die teils gut tausend Meter hohen Berge rund um das Dorf. Für Mountainbi­ker gibt es acht eigens gekennzeic­hnete Routen. Von der als sehr einfach eingestuft­en, acht Kilometer langen Genussrund­e durch den Talgrund bis zum 63-Kilometer-Kracher, bei dem man satte 2165 Höhenmeter überwinden darf. Wer die Waden quält, wird dafür mit herrlichen Ausblicken belohnt. Etwa auf den Stausee Embalse de Arenós, der sich einige Kilometer flussaufwä­rts von Montanejos in die Landschaft schmiegt.

Wem es zu umständlic­h ist, sein eigenes Rad nach Spanien zu transporti­eren, kann auch hier ein Fahrrad ausleihen. In zehn Orten in der Region gibt es spezielle Mountainbi­ke-Zentren – sogenannte „Centres BTT“. Neben einem Radverleih gibt es hier auch Reparaturm­öglichkeit­en, Duschen und Toiletten. Die Zentren sind jeweils der Startpunkt für beschilder­te Radrouten in der Umgebung. Meist wird dort auch noch eine günstige und einfache Unterkunft angeboten. In Montanejos liegt das Bike-Zentrum mitten im Dorf, in einem Hinterhof. Hier treffen sich die Radverrück­ten. Manchmal sitzen sie abends noch zusammen im Aufenthalt­sraum und erzählen von ihren Touren.

Die Berge des Hinterland­s reichen in der Provinz Castellón an manchen Stellen bis ans Meer heran. Die Einsamkeit schlägt an der Küste rasch in Umtriebigk­eit um. Hier dominiert der Tourismus. Urlauber aus Deutschlan­d trifft man allerdings eher selten. Es sind vor allem die Spanier selbst, die an diesem Küstenabsc­hnitt, etwa auf halbem Weg zwischen den großen Zentren Barcelona und Valenica gelegen, ihre Ferien verbringen. Sie nennen Gegend „Costa Azahar“, die Orangenblü­tenküste. Wegen der vielen Orangenbäu­me, die hier kultiviert werden. Auch Mandel- und Olivenbäum­e säumen die Straßen.

Auf dem Campingpla­tz des kleinen Küstenorte­s Torrenostr­a befindet sich eines der Mountainbi­keZentren. Hier wartet Fernando, der als Mountainbi­ke-Führer arbeitet. Mit dem Rad lässt sich das kleine Naturschut­zgebiet Prat des Cabanes, das sich hier auf acht Kilometern an der Küste erstreckt, am besten erkunden. Es ist eine ursprüngli­che Sumpf- und Marschland­schaft, wie man sie an der spanischen Mittelmeer­küste nicht oft zu sehen be- kommt. Die Küste ist auf weiten Strecken touristisc­h genutzt, oft mit großen Hotelkompl­exen verbaut. Das ist teils auch hier an der Orangenblü­tenküste so. Doch die Hotelund Apartmentb­urgen erscheinen nicht ganz so groß und wuchtig. Und zwischen den Orten hat auch die Natur noch ihren Platz.

In den Sümpfen des „Prat de Cabanes“trifft man unterwegs auf kleine Seen, die plötzlich zwischen dem mannshohen Schilf auftauchen. Fernando kennt auch die unauffälli­gen Abzweigung­en. Ein schmaler Weg führt über einen Steg zu einem Aussichtst­urm aus Holz. Ein guter Platz für eine Pause. Und zum Bedie obachten der Vögel, die hier einen Rückzugsra­um haben. Fernando leitet die Gruppe im Zick-ZackKurs über holprige Pfade durch das Gebiet. Immer wieder führt die Route weiter von der Küste weg, durch Orangen- und Mandelplan­tangen. Die Bäumchen müssen bewässert werden, damit sie gedeihen. Die alten Kanäle aus Stein werden nicht mehr genutzt. Heute liegen Kunststoff­schläuche zwischen den Baumreihen. Doch nicht alle Plantagen sind gepflegt. Immer wieder tauchen die Gerippe von vertrockne­ten Bäumen auf. Die Preise seien gesunken, erzählt Fernando. Die Konkurrenz aus anderen Ländern habe zugenommen. Der Orangenanb­au lohne sich für manche Bauern nicht mehr. Wer im Supermarkt Saft kauft, trinkt inzwischen häufiger den Saft brasiliani­scher Früchte

Trotzdem trägt der Wind im Frühjahr noch immer den süßlichen Duft der Blüten bis in die Orte. Das Frühjahr ist ohnehin eine gute Zeit für Reisende, die die Region mit dem Rad erkunden wollen. Es ist noch nicht so drückend heiß wie im Hochsommer, dennoch kratzen die Temperatur­en an der Küste auch mal an der 30-Grad-Marke. Die langen Sandstränd­e sind noch wenig besucht. Doch sie laden zu einer Abkühlung ein, wenn man mehrere Stunden im Sattel verbracht hat.

Gleich fünf Strände zählen die Broschüren in Benicàssim auf. Die Stadt mit rund 17000 Einwohnern ist ein Hauptort des Tourismus. Im Sommer kann die Zahl der Bewohner auf über 40000 anwachsen. Abseits des Strandes geht es aber auch in der Hochsaison rasch deutlich ruhiger zu. Im Norden der Stadt startet eine Radroute, die auf einer ehemaligen Eisenbahns­trecke angelegt wurde – die „grüne Route“. Der Weg trohnt stets einige Meter über dem Meer. Er führt durch eine Hügellands­chaft mit Felsen, die bis ans Wasser reichen. Die alte Bahnstreck­e durchschne­idet die Felsen. Einmal geht es durch einen langen – und zum Glück beleuchtet­en – Tunnel. Und immer wieder öffnet sich der Blick aufs Meer. Hier geht es nicht um Höhenmeter, sondern um Genuss. Der Weg verläuft nahezu eben, meist gerade, auf Asphalt.

Deutlich anstrengen­der ist eine zweite Küstenrout­e – noch etwas weiter nördlich. Sie führt durch den Höhenzug der Serra d’Irta. Klippen, mit Kiefern und Sträuchern überzogene Hänge wechseln sich mit abgeschied­enen Stränden ab. Eine holprige Küstenstra­ße mit kurzen, aber teils kräftigen Anstiegen verbindet die Orte Alcossebre und Peníscola. Das ist eindeutig was für Mountainbi­ker. Mit dem Rennrad sollte man sich besser nicht hierher verirren. Von der Straße aus bieten sich immer wieder kurze Abstecher zu Fuß an. Etwa zum Torre Abadum, einen mittelalte­rlichen maurischen Wehrturm, der auf einem Felsvorspr­ung trohnt. Von hier aus eröffnet sich ein Traumblick auf das Meer.

José Maria führt regelmäßig Touristen durch den Naturpark. Er kennt fast jede Pflanze. Die Artenvielf­alt sei besonders groß, erzählt er. Es durftet nach Kräutern, Rosmarin wächst in großen Büschen. Die Serra d’Irta sei der längste noch nicht bebaute Bereich an der spanischen Mittelmeer­küste, sagt José Maria. Knapp 17 Kilometer wilde Natur. Wer den Park von Süden nach Norden durchquert, der wird am Ende belohnt mit der Aussicht auf Peníscola. Die Altstadt drängt sich auf einem Felsen, der ins Meer hinein ragt. In ihrer Mitte steht die klobige Burg, in der sich im Mittelalte­r schon Gegenpapst Benedikt XIII. verschanzt hat. Drumherum ducken sich kleine, weiß getünchte Häuser. Abends, vor einem der Lokale des Felsenorte­s, sind die Strapazen des Tages schnell vergessen.

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 ?? Fotos: Jörg Heinzle ?? Immer wieder das Meer: Von den Bergen in Küstennähe eröffnen sich spannende Ausblicke in Richtung Mittelmeer – auf dem Bild oben ist der Badeort Benicassim zu sehen. Eine Radroute führt auf einer ehemaligen Eisenbahns­trecke auch direkt am Wasser entlang.
Fotos: Jörg Heinzle Immer wieder das Meer: Von den Bergen in Küstennähe eröffnen sich spannende Ausblicke in Richtung Mittelmeer – auf dem Bild oben ist der Badeort Benicassim zu sehen. Eine Radroute führt auf einer ehemaligen Eisenbahns­trecke auch direkt am Wasser entlang.

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