Mehr als ein Denkzettel
Als gestern um 18 Uhr die ersten Prognosen über die Bildschirme flimmerten, da war sie perfekt, die Große Koalition der Verlierer. Sowohl CSU als auch SPD büßten derart viele Stimmen ein, dass keine der Parteien zur Tagesordnung übergehen kann, wenn sie nicht von allen guten Geistern verlassen ist – das gilt für das Bundesgebiet ebenso wie für Bayern, den Wahlkreis Neu-Ulm oder – als Teil davon – den Landkreis Günzburg.
Hier haben es die Sozialdemokraten eigentlich schon geschafft, ihr Volkspartei-Mäntelchen an der Garderobe der eigenen Unzulänglichkeit abzugeben. Zur Ehrenrettung sei gesagt: Bayern wird von den Berliner Genossen ohnehin als verlorenes Gebiet betrachtet. Das nützt der hiesigen SPD freilich nichts. Die Oppositionsparteien haben sich vor der Wahl um den dritten Platz gestritten. The winner is – jedenfalls in der Region – die SPD, die von der AfD mit spielerischer Leichtigkeit rechts überholt wurde.
Das gilt natürlich auch für die erfolgsverwöhnte CSU, die so gerne über die absolute Mehrheit nachdenkt und sich in der Rolle gefällt, unangreifbar zu sein. Davon kann sie sich getrost verabschieden. Die Verluste im Landkreis sind dramatisch. Die Seehofer-Partei postuliert, „näher am Menschen“zu sein. Doch Werbung und Schönreden hat mit der Wirklichkeit oft nur wenig gemeinsam. Das Bäumchenwechsle-dich-Spiel in der Flüchtlingspolitik hat vor allem eines bewirkt: Die Partei hat ihr Stammklientel in beträchtlichem Ausmaß an die AfD verloren. Auch der wiedergewählte CSU-Direktkandidat Georg Nüßlein hat im Landkreis kräftig Federn lassen müssen: Ein Minus von 13,3 Prozentpunkten ist, Trend hin, Trend her, kein Vertrauensbeweis als Vertreter einer Partei, die in der künftigen Bundesregierung weniger Einfluss haben wird als bislang.